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Jesús Ángel Solórzano Telechea / David Ditchburn / María Álvarez Fernández (ed.), Políticas y estrategias socioeconómicas en la ciudad medieval atlántica (Ciencias Históricas 52) Logroño 2023, Instituto de Estudios Riojanos, 288 S., Abb., ISBN 978-84-9960-163-2, EUR 15. – Die politischen und sozioökonomischen Entwicklungen in den Hafenstädten des spätma. europäischen Atlantikraums finden in der Geschichtswissenschaft eher selten Beachtung. Einzig im Hinblick auf eine ‘Vorgeschichte’ der frühneuzeitlichen europäischen Atlantikexpansion treten sie mitunter in wissenschaftlichen Studien in Erscheinung, kaum aber in Form eines Querschnitts. Dieser Sammelband stellt eine willkommene Ausnahme dar. Er bildet das Ergebnis der „XVII Encuentros Internacionales del Medievo de Nájera“, die am 26. und 27. November 2020 stattfanden. Ein beträchtlicher Teil der Beiträge entstand im Rahmen des an der Univ. de Cantabria beheimateten Projekts „Del barco al mercado. Actividad económica, relaciones sociales y conflictos armados en las ciudades y villas portuarias de la Europa Atlántica bajomedieval“, so dass sich die Publikation auch als Resultat dieses Projekts versteht. Die 13 Artikel, die in Spanisch, Englisch, Französisch oder Portugiesisch verfasst sind, spannen auf den ersten Blick einen weiten geographischen Bogen. Der Fokus liegt jedoch – vor allem im ersten Teil – ganz klar auf den Häfen der Iberischen Halbinsel, allen voran jenen im Norden am Golf von Biscaya. Weitgehend unbeachtet bleiben leider die Hafenstädte Englands, Irlands und des skandinavischen Raums, was die Bedeutung und Aussagekraft des Bandes deutlich schmälert. Neben einer von S. T. verfassten Einleitung (S. 11–28), der die Themenfelder abzustecken versucht, gliedert sich die Publikation in zwei große Bereiche. Der erste Teil, mit insgesamt sechs Artikeln, trägt den Titel „Puertos y estrategias socioeconómicas“ und bietet eine Vielzahl an Themen, die nur schwer mit einer sinnvollen Klammer zu versehen sind. So reichen die Beiträge von der Rolle von Frauen im Rahmen des maritimen Fernhandels von Bilbao im späten 15. Jh. (José Damián González Arce, S. 45–81) über neu erschlossene Quellen zur Bedeutung von La Coruña als Ankunftshafen für englische Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela (Paz Romero Portilla, S. 115–136) bis hin zur Bedeutung der Rôles d’Oléron und anderer spätma. Seerechtssammlungen im Hinblick auf Konfliktbeilegung und Risikomanagement im Rahmen der europäischen (Atlantik-)Seefahrt (Gisela Naegle, S. 159–187). Der zweite Teil mit dem Titel „Políticas portuarias y estrategias financieras“ ist hingegen thematisch viel konsistenter. Alle fünf Artikel widmen sich der Erhebung von Abgaben in den Hafenorten durch die jeweilige Obrigkeit sowie den damit in Zusammenhang stehenden Privilegien. Der geographische Bogen ist hier gut gewählt und reicht von Antwerpen (Michael Limberger, S. 191–208) über Schottland (David Ditchburn, S. 209–225), die Normandie (Laurence Jean-Marie, S. 227–240) und Lissabon (Catarina Rosa, S. 241–255) bis nach Sevilla (Lorenzo Lage Estrugo, S. 257–281). Warum die Artikel gerade in dieser Reihenfolge angeordnet sind, bleibt jedoch offen, da sich weder geographisch noch zeitlich eine sinnvolle Abfolge erkennen lässt. Den Schluss des Bandes bildet ein kurzer Artikel der Hg. Á. F. (S. 283–288), der mit abschließenden Betrachtungen aufwarten soll, aber leider sehr allgemein gehalten ist und kaum auf die einzelnen Beiträge Bezug nimmt. Somit taugt er nur bedingt als Resümee. Es bleibt also ein gemischtes Gefühl zurück. So ist es zwar begrüßenswert, dass man sich des Themas in Form eines Querschnitts angenommen hat. Allerdings sind gerade im ersten Teil die Themenfelder zu weit gestreut und die geographische Auswahl der Hafenorte zu beschränkt, um tatsächlich einen fundierten Überblick zu erhalten, der Vergleiche zuließe oder gar überregionale Schlussfolgerungen erlaubte.

Andreas Obenaus

(Rezensiert von: Andreas Obenaus)