Spes Italiae. Il regno di Pipino, i Carolingi e l’Italia (781–810), a cura di Giuseppe Albertoni / Francesco Borri (Haut Moyen Âge 44) Turnhout 2022, Brepols, 433 S., Abb., ISBN 978-2-503-59946-5, EUR 80. – Der auf zwei Tagungen in Trient (2016) und Wien (2017) basierende Band gilt Pippin von Italien, der in den Quellen so wenig Beachtung findet, dass sogar der Titel ganz allgemein von den Karolingern und Italien zur Zeit Pippins spricht. Die 22 Beiträge finden sich unter diesem Titel gut wieder, ein zentraler Fokus liegt dennoch auf der Person Pippins und seinem Wirken. Vor allem wegen der ungünstigen Quellenlage steht er nicht gerade im Zentrum der Forschung. Zwar wissen wir, dass er als König nach Italien geschickt wurde, bestätigt über die Divisio regnorum 806, und dort bis zu seinem Tod 810 insgesamt fast 30 Jahre gewirkt hat, auch dass er zumindest nominell als Anführer den Awarenschatz erbeutete, wie Walter Pohl (S. 99–109) ausführt, der einen Blick auf die awarische Herrschaftsordnung ermöglicht und mit guten Gründen annimmt, dass Pippin darüber einige Kenntnisse hatte. Aber über sein individuelles Denken und Handeln wissen wir so gut wie nichts. Die Beiträge des Bandes behelfen sich oftmals mit (neuen) Feststellungen und begründeten Annahmen über persönliche Beziehungen und mögliche Aufenthaltsorte, etwa indem sie nahelegen, dass schon vor 806 sich die Regelungen der Divisio regnorum abzeichneten, so Marco Stoffella (S. 183–210), Herwig Wolfram (S. 249–252) über die Königsdarstellung in St. Benedikt in Mals sowie Carl I. Hammer (S. 211–237). Etwa im Falle des baiulus Waldo (Bernhard Zeller, S. 69–95) ist ein solcher Zugriff durchaus weiterführend, auch weil Waldo als Urkundenschreiber identifizierbar ist. Hinzu kommen Einordnungen in kulturelle Kontexte, die für die erweiterte Fragestellung des Bandes sinnvoll sind, so etwa Cinzia Grifoni (S. 263–289) zu Alkuins knapper Disputatio Pippini cum Albino. Nun ist es ja keine Frage, dass Pippins Bedeutung erheblich größer gewesen sein wird, als die Quellen es vermuten lassen. Dabei ist der verhältnismäßig häufige Bezug auf den Awarensieg möglicherweise irreführend, weil hier Pippin vor allem als Handlungsträger Karls aufgebaut und damit seine Gestalt auch in den Quellen konsequent ihrer eigenen Relevanz beraubt wird, wie ja auch in der päpstlichen Überlieferung, so Clemens Gantner (S. 377–390). Nach Ansicht des Rez. kann die Suche nach einem von Karl abgrenzbaren Individuum Pippin keinen wirklichen Erfolg haben, weil mit dieser Frage die Funktion des Königs Pippin nicht zu verstehen ist. Die gängige Ansicht, dass die „Unterkönige“ Karls nur Erfüllungsgehilfen des Vaters gewesen seien, wird in mehreren Beiträgen zugrundegelegt. Dann lässt sich aber nur nach Dysfunktionalitäten suchen, die es hier vielleicht gar nicht gibt. Die Funktionalität des Systems liegt doch gerade darin, dass Vater und Söhne eine funktional differenzierte Einheit bildeten, mit der die Bedeutung Pippins als König von Italien (gemeinsam mit Karl übrigens) verstehbar würde, vor allem weil dann die Mitherrschaft Pippins im Erfolg der karolingischen Herrschaft in Italien erkannt werden könnte und die umsichtigen strukturellen Veränderungen (François Bougard, S. 25–39) und personellen Eingriffe in die ehemals langobardische Ordnung (Stefano Gasparri, S. 41–50) nicht mehr nur der „Oberherrschaft“ Karls zugeschrieben werden müssten. Hier sei nur darauf verwiesen, dass der vermutlich in Kontinuität zu Pippin handelnde Sohn Bernhard plötzlich sehr eigenständig erscheint, da nach dem Tod Karls sich der Handlungsrahmen geändert hatte. In dieser Hinsicht von besonderer Relevanz ist die Erkenntnis von Giulia Zornetta (S. 131–154), welche Bedeutung die faktisch eigenständigen Herrschaften von Spoleto und Benevent für die Stabilität des karolingischen Italien hatten. Der Band ist mit seinen zahlreichen sehr substanziellen Beiträgen mehr als eine notwendige Bestandsaufnahme. Und Pippin würde sich sicher über die Beachtung seiner Person freuen.
Jürgen Strothmann
(Rezensiert von: Jürgen Strothmann)