Stephan Flemmig, Zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa. Die Beziehungen von Jagiellonen, Wettinern und Deutschem Orden (1386–1526) (Quellen und Forschungen zur sächsischen und mitteldeutschen Geschichte 44) Stuttgart 2019, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig in Kommission bei Franz Steiner, 706 S., ISBN 978-3-515-12309-9, EUR 116. – Im Jahr 1460 musste sich der Söldnerführer Oldřich Červenka in Prag vor dem später als „Ketzerkönig“ geschmähten Georg von Podiebrad gerichtlich verantworten, weil er sich am Verkauf der Marienburg, des Sitzes des Hochmeisters des Deutschen Ordens, an den polnischen König Kazimierz IV. beteiligt hatte. Die Marienburg und andere Festungen des Ordens waren in die Hand der Söldner geraten, die der Orden zum Kampf gegen Polen und den preußischen Bund angeworben und schließlich nicht hatte bezahlen können. Deshalb entschieden sie sich zu dem ungewöhnlichen Schritt, die von ihnen teilweise als Pfand erhaltenen, teilweise besetzten Burgen des Ordens an dessen Gegner zu verkaufen, um so an ihren Sold zu kommen. „Oldřich Červenka und seine Parteigänger wurden für schuldig befunden, zu Kerkerhaft verurteilt und für ehr- und waffenlos erklärt. Auf Fürsprache des polnischen Königs kam Červenka nach zwei Jahren Kerker wieder frei, kehrte nach Preußen zurück und ließ sich in Gollub nieder“ (S. 217). Die von F. tief im Inneren seines Buchs beschriebene Episode um die an den Gegner verkauften Ordensburgen ist exemplarisch für die politische Gemengelage im spätma. Ostmitteleuropa, die der Vf. in seiner umfangreichen Studie für die Zeit zwischen der Krönung Władysławs II. Jagiello zum polnischen König, der Errichtung der polnisch-litauischen Union 1386 und der Konversion des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg zur Lehre Luthers, der Umwandlung des preußischen Ordenslandes in ein weltliches Herzogtum und der Annahme desselben als Lehen vom polnischen König sowie dem „Verlust des böhmischen und des ungarischen Throns für die Jagiellonendynastie (1526)“ (S. 19) darstellt. Dies erschien ihm notwendig, weil bisher „keine gedrängte und übergreifende Darstellung“ vorliege, „in der die obersächsisch-thüringischen Beziehungen zu Jagiellonen und Deutschem Orden stringent, empirisch gesättigt und konzeptionell-methodisch angemessen untersucht werden“ (Vorwort, S. 15). F. wählt mit der Beschreibung des Agierens verschiedener Dynastien einen landesgeschichtlichen Ansatz (S. 23). Ihr „auswärtiges Handeln“ steht dabei im Vordergrund. Das Wirken der Fürsten selbst wie ihrer Diplomaten zwischen den Höfen zur Vorbereitung oder Vermeidung von Kriegen, zur Anbahnung von dynastischen Eheverbindungen und Bündnissen soll als Gerüst für „zukünftige Studien“ (S. 19f.) dargestellt werden. F. kommt seinem Vorhaben in einer neun Teile umfassenden, jeweils von Jagiellonen und Wettinern in ihren Beziehungen zu Deutschem Orden, Polen, Böhmen sowie Ungarn ausgehenden, akribischen und quellengesättigten Darstellung nach, die nur selten redundant und zu sehr in Einzelheiten verliebt, dafür aber mit einem reichen Quellen- und Literaturverzeichnis versehen und mit einem Index der Personen- und Ortsnamen erschließbar ist. Mit dem Vf. bleibt zu bedauern, dass trotz dieser tiefschürfenden Grundlagenarbeit eine Geschichte der wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen weiterhin aussteht (S. 19 und 597).
Matthias Hardt
(Rezensiert von: Matthias Hardt)