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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

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Sophie Charlotte Quander, Auf der Suche nach Re/formen. Literarische Wege der Selbstlegitimation in der ‘Reformatio Sigismundi’ (1439) (Studien zu Macht und Herrschaft 17) Göttingen 2023, V&R unipress / Bonn Univ. Press, 336 S., ISBN 978-3-8471-1599-1, EUR 60. – Die Reformdebatten im Umfeld des Basler Konzils haben viel bislang weitgehend ungesichtetes Material hervorgebracht, so dass eine neue Diss. zu einem inzwischen sehr gut zugänglichen, eher übersichtlichen und vergleichsweise gut erforschten Reformtraktat überrascht. Die Monographie ist dennoch von großer Innovationskraft, bietet sie doch erstmals einen spezifisch literaturwissenschaftlichen Blick auf die bislang nur von Historikern eingehend analysierte Reformatio Sigismundi. Der Text gehört zwar in die Standardreihe der Reformschriften dieser Zeit, bleibt aber doch in vielerlei Hinsicht rätselhaft. In deutscher Sprache verfasst, von großen Stilvarianzen geprägt und mit eigentümlichen narrativen Einschüben durchsetzt, gab er Historikern bislang viele Rätsel auf. Methodisch bietet die Arbeit ein dichtes Geflecht aus genuin literaturwissenschaftlichen Ansätzen (Probleme der Autorschaft, Metaphorologie) und sozialwissenschaftlichen Klassikern (Diskursanalyse nach Foucault, Feldtheorie nach Bourdieu, Max Webers Idealtypen legitimer Herrschaft). Besonders die Präsentation literaturwissenschaftlicher Methoden in einem für Historiker gut verdaulichen Format ist sehr hilfreich und fruchtbar. Drei analytische Kapitel widmen sich, aufeinander aufbauend, zunächst den Kommunikationspartnern, dann den literarischen Argumentationsstrategien und schließlich der Einordnung in zeitgenössische Diskursformen. 1) Die Analyse der Kommunikationspartner liefert vor allem eine tiefe Reflexion des Autorbegriffs, wie sie in den Geschichtswissenschaften längst nicht üblich, aber sehr sinnvoll ist: eine konsequente Trennung von Urheber und Sprecher als textimmanenter Vermittlungsinstanz, die hier über die verschiedenen Fassungen der Reformatio Sigismundi hinweg ein besonderes Eigenleben führt. Eine schematische Analyse des Gebrauchs der verschiedenen Personalpronomen offenbart Inklusions- und Exklusionsstrategien auf Satzebene. 2) Zwei sprachliche Mittel werden im folgenden analytischen Kapitel gesondert untersucht: die Systematik der Metaphern und die narrativen Sequenzen (Exempla, Legenden, Prophetien). An ihnen erweisen sich mit frappierender Deutlichkeit die Funktionen für die Legitimation des Autors, nämlich die Einbindung in die den ganzen Text prägenden Motive des ‘Rates von außen’ und der Überhöhung der ‘Kleinen’. Ein externer, hierarchisch unterlegener Gesprächspartner belehrt und dominiert die autoritativen Entscheidungsträger. Die Metaphern bewegen sich eher im Rahmen des für die spätma. Reformdebatten Üblichen; ihre hier aufgefächerte systematische Nomenklatur ist für künftige Arbeiten umso wertvoller. 3) Die Verortung der Reformatio Sigismundi an der Grenze zwischen gelehrten Reformtraktaten und volkssprachlicher Publizistik geschieht hier mit den Vokabeln der Bourdieuschen Feldtheorie, was nicht zwingend notwendig gewesen wäre, aber passend erscheint und zweifellos die Anschlussfähigkeit der Analyse erhöht. Die Bedeutung der Arbeit erschöpft sich nicht in einer präziseren Interpretation der Reformatio Sigismundi; sie ist methodisch ein veritables Füllhorn für den Historiker, der der Literaturwissenschaftlerin hierfür dankbar sein muss.

Thomas Woelki

(Rezensiert von: Thomas Woelki)