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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

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Jakub Razim, Mezní právo a jeho rituály v době přemyslovské [Das Grenzrecht und seine Rituale in der Přemyslidenzeit], Praha 2022, Leges, 176 S., ISBN 978-80-7502-618-7, CZK 350. – Das Thema der Grenzrituale genießt, wie der Vf. selbst zugibt, schon seit den Anfängen der Rechtshistoriographie Aufmerksamkeit, ganz besonders im tschechischen Raum. R. grenzt seine Themensetzung noch ein, indem er sich auf die Přemyslidenzeit beschränkt, in der die Zahl der erhaltenen Dokumente im Vergleich zu späteren Jahrhunderten um einiges geringer ist. Nichtsdestoweniger ist das Buch vor allem dank seiner außergewöhnlich guten Lesbarkeit, der Gründlichkeit des Vf. und seiner Bereitschaft, das Problem nicht nur vom rein technischen Standpunkt der Rechtstheorie aus zu betrachten, sondern auch die Ergebnisse der Rechtsanthropologie und anderer Disziplinen zu berücksichtigen, zweifellos eine wertvolle Untersuchung der böhmischen Rechtsgeschichte des Hoch-MA. Es gliedert sich in vier große Abschnitte. Die Einleitung dient dazu, die ältere Forschungstradition vorzustellen und mögliche Interpretationsrahmen außerhalb der engeren Rechtshistoriographie zu definieren. R.s Ziele wirken relativ bescheiden, was aber angesichts der geringen Zahl von Dokumenten aus der Přemyslidenzeit nur scheinbar so ist. Ihn interessiert, wann bzw. mit welcher Regelmäßigkeit Umritte stattfanden, wer daran teilnahm, welche Form die Teilnehmer ihnen gaben, von wo nach wo sie gingen, welche Erwartungen die Teilnehmer an den Umritt hatten und welche rechtlichen Implikationen diese Handlungen hatten, und schließlich, ob sie eine bestimmte Form der Kommunikation mit sich brachten, sei es durch Wort, Geste oder Schrift. Im zweiten Kapitel geht R. drei Einzelfällen nach, nämlich dem Verkauf der Mitgiftdörfer Číňov und Přeskaky, dem Streit um den Wald von Domašov und den Auseinandersetzungen um die Grenzen der Pfarrbezirke in Brünn. Diese detaillierten Studien illustrieren in einem breiteren Kontext die Entwicklung des Landes- und Kirchenrechts. Im dritten Kapitel geht der Vf. auf die Teilnehmer an den Verfahren ein, zu denen neben den Streitparteien und den mit der Schlichtung beauftragten Personen – häufig, aber keineswegs ausschließlich Kämmerer oder Unterkämmerer und örtliche Burggrafen – auch die weitere Nachbarschaft gehörte, die in der Umgebung des strittigen Gebiets (ca. 60/100 km2) wohnte – im Sinne eines Urkundenzitats aus dem Jahr 1185, auf das der Vf. aufmerksam macht, notiert er alle denkbaren Instrumente, die zur Durchsetzung von Entscheidungen eingesetzt wurden. Die Arbeit gibt nicht nur wertvolle Einblicke in die Rechtskultur der böhmischen Länder im 13. Jh., sondern auch in die Rolle der sozialen Bindungen und der Gemeinschaft bei der Lösung von Streitfällen. Sie zeigt anhand von konkreten Fällen auch die Vermischung verschiedener Rechtswelten sowie die Bemühungen, die Besitzsicherung oder die Ausübung von Rechten in einer Welt, in der die Schrift nur eine begrenzte Rolle spielt, gerade durch die intensive Einbeziehung von Rechtsritualen und damit einer größeren Gemeinschaft anzugehen.

David Kalhous

(Rezensiert von: David Kalhous)