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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

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Ivan Mariano, Négociations et relations interculturelles entre la chrétienté latine et la chrétienté grecque aux conciles de Bâle et de Ferrare-Florence (1431–1439) (Scrinium Friburgense 51) Wiesbaden 2021, Reichert Verlag, 218 S., Abb., ISBN 978-3-95490-520-1, EUR 75. – Der Band ist eine im Jahr 2015 eingereichte Diss., deren Entstehung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert wurde. Das Thema knüpft an einen wachsenden Forschungszweig an, der besonders im vergangenen Jahrzehnt und vorrangig mit Blick auf die außertheologischen Faktoren ost-westlicher Konflikte verstärkt Aufmerksamkeit in den internationalen historischen und theologischen Mediävistikkreisen erlangt hat. Interesse und Erwartungen an die Studie bestehen daher aus beiden Fachrichtungen. Sie ist in drei Hauptteile gegliedert, die von einer knappen Einleitung inklusive Hinweisen auf Methodik und Quellen (S. 11–20) und einer noch knapperen Synthese mit Ausblick (S. 201–203) gerahmt sind: Der erste Hauptteil (Kap. II, S. 21–91) bietet eine Skizze der Ereignisse auf beiden Konzilien, die der Vf. als relevant für die Verhandlungen zwischen Lateinern und Griechen erachtet. Der zweite Hauptteil (Kap. III, S. 93–160) widmet sich den Inhalten der Verhandlungen, wobei der Vf. explizit nicht die dominierenden theologischen Debatten in den Blick nimmt – diese werden auf knapp über drei Seiten zusammenfasst (III.5, S. 155–158) –, sondern „autres questions“ (S. 13): die Debatte um die Qualität des Konzils als „ökumenisch“ (III.1), die Wahl des Konzilsortes (III.2) sowie finanzielle Aspekte (III.3) und militärische Implikationen (III.4) der Verhandlungen. Der dritte Hauptteil (Kap. IV, S. 161–199) befasst sich mit der Art und Methode der Kommunikation. Der Vf. fokussiert auf die Rolle und Zusammensetzung der Gesandtschaften beider Seiten (IV.1), auf die Organisation und die protokollarischen Aspekte der tatsächlich geführten Verhandlungen (IV.2) sowie auf die Sprachbarrieren in enger Verbindung mit der Frage nach Rolle und Einfluss der Übersetzer und Interpreten (IV.3), die er insbesondere im Blick hat, wenn er das Kapitel sinngemäß mit der Frage nach „facteurs culturels“ (S. 14) überschreibt. Die Stärke des Buchs im Sinne des oben erwähnten Beitrags zu einem wachsenden Forschungsfeld besteht ohne Zweifel im dritten Hauptkapitel mit seinem u.a. prosopographischen Zugang zu Schlüsselpersonen in Vermittlerrollen, die sie unterschiedlich ausfüllten. Für die Themen des ersten und zweiten Hauptteils hingegen ist man mit der Expertise ausgewiesener Sekundärliteratur besser und solider beraten. Die Probleme der Studie bestehen v.a. darin, dass der Vf. das Studium der Quellen und insbesondere ihre Darstellung narrativ versteht und umsetzt. Entsprechend enthält der Fußnotenapparat mit einigen Ausnahmen ausschließlich Quellentexte, die hilfreicherweise zwar übersetzt, allerdings kaum kritisch eingeordnet und selten von Referenzen auf Sekundärliteratur begleitet werden, auf die aufzubauen nicht nur lohnend, sondern unerlässlich wäre. Beiläufig erwähnt wird an mehreren Stellen die Fülle an Einzelstudien zu Basel oder Ferrara-Florenz, allerdings wird diese im Duktus der Arbeit kaum berücksichtigt. Daraus folgt, dass signifikante Studien fehlen, die sich allein schon durch die Verwendung und Verwertung der Sekundärliteratur im guten Sinn des Wortes aufgedrängt hätten, und dass die Darstellung oder Analyse bisweilen kursorisch und oberflächlich bleibt und dem Stand der Forschung nicht gerecht wird. Zu oft scheinen pauschalisierende Aussagen (etwa, dass die Unionsbemühungen vor Basel/Ferrara-Florenz „nicht fruchtbar“ gewesen seien) mit fehlender Kriteriologie einherzugehen (entlang welcher Kriterien definiert der Vf. Erfolg/Misserfolg von Unionsbemühungen?). Das postulierte Alleinstellungsmerkmal der Studie, dass erstmals beide Konzilien in Bezug auf die Ost-West-Beziehungen in den Blick genommen werden, überzeugt nicht – in erster Linie deswegen, weil der Vf. gerade nicht auf die theologischen Themen fokussiert (für die eine Studie in der Zusammenschau beider Konzilien tatsächlich lohnend wäre), sondern auf Fragen nach der Art, Geschäftsordnung, Durchführbarkeit und Ökonomie des geplanten Konzils, die in der Sekundärliteratur – der vorliegenden Studie weit voraus – schon umfassend und Perspektiven aufzeigend behandelt sind.

Andrea Riedl

(Rezensiert von: Andrea Riedl)