Passeur d’histoire. Hommages à Michel Parisse. Sous la direction de Catherine Guyon / Jean-Baptiste Renault / Valérie Serdon-Provost, Annales de l’Est 72 nos 1–2 (2022): Die Gedenkschrift für den 2020 verstorbenen Historiker enthält, neben einem Verzeichnis seiner zahlreichen Publikationen (S. 27–57), folgende mediävistische Beiträge: Jens Schneider, L’homme lotharingien (S. 61–79), ordnet die Arbeiten von Michel Parisse zur Lotharingia, namentlich zur Terminologie, zum Adel, der Kirchenreform und der Sprachgrenze, in die Forschungsgeschichte ein. – Thomas Zotz, Die Zähringer und Lothringen. Aussichten, Erfolge, Rückschläge (S. 81–99), verfolgt die Beziehungen der Zähringer zu Lothringen. Begründet wurden sie durch die um 1120 geschlossene Ehe Konrads von Zähringen mit Clementia von Namur. Rudolf, ein Sohn aus dieser Ehe, bestieg 1167 den Bischofsthron von Lüttich. Mit seinem Tod 1191 brachen die Beziehungen ab. – Laurent Morelle, L’„original“ comme catégorie diplomatique: à propos de la base nancéienne des chartes originales antérieures à 1121 (S. 103–118), legt dar, dass unsere Vorstellung vom „Original“ durchaus auf denen des MA beruht, das zwischen authenticum und exemplar (Kopie) unterschied. – Dominique Stutzmann, Le mystère de l’incarnation et de la renaissance: les belles lettres des cisterciens (S. 119–142), arbeitet die charakteristischen Elemente der von den Zisterziensern verwendeten Schrift heraus und zieht Parallelen zur Architektur ihrer Kirchen. – Hubert Flammarion, La supplique au pape de l’abbesse de L’Étanche au début du XIIIe siècle: une démarche inachevée (S. 143–176), geht auf die Gründung der Zisterzienserinnenabtei L’Étanche (Diöz. Toul) im Jahr 1148 ein und stellt eine wohl zwischen 1206 und 1223 verfasste, von der Äbtissin an den Papst gerichtete Supplik vor. Sie wird im Anhang ediert. – Jean-Baptiste Renault, Changement institutionnel et reconstitution d’une mémoire: la pancarte-cartulaire de l’abbaye Saint-Rémy de Lunéville (XIIe siècle) (S. 177–213), ediert nach sorgfältiger Analyse eine Ende des 12. Jh. niedergeschriebene Pancarta des Klosters Saint-Rémy in Lunéville (Diöz. Toul). Wohl um die Jahrtausendwende als Frauenkloster gegründet, wurde es spätestens 1135 an Regularkanoniker übertragen. Die von ihnen verfasste Pancarta war ohne Beweiswert und diente dem Zweck, Texte unterschiedlicher Natur zur Geschichte des Klosters zusammenzutragen, darunter eine Notiz zur Gründung des Hospitals in Lunéville (ed. Oswald Holder-Egger, MGH SS 15/2, S. 982). Einem Chartular vergleichbar, besaß das Dokument Memorialcharakter. Angesprochen wird auch eine Urkunde Papst Innocenz’ II. von 1140 (JL 8113). – Michèle Gaillard, Michel Parisse et Remiremont: ses études sur le Liber Memorialis et leurs prolongements (S. 217–230), unterstreicht die Bedeutung der Forschungen von Michel Parisse zum Liber memorialis der Abtei Remiremont (Diöz. Toul) (ed. Eduard Hlawitschka / Karl Schmid / Gerd Tellenbach, MGH Libri mem. 1), dem spirituellen Netzwerk des Klosters und seinen Beziehungen zur laikalen Umgebung. – Marlène Helias-Baron, Les moniales de Saint-Antoine-des-Champs et la gestion de leur patrimoine à Noisy-le-Sec (XIVe–XVIe siècle) (S. 231–254), wertet 13 zwischen 1408 und 1641 angelegte Zinsbücher der Zisterzienserinnenabtei (Diöz. Paris) aus, die Einblick in die Verwaltung der Klosterbesitzungen in Noisy-le-Sec (bei Paris) gewähren. – Gordon Blennemann, Bien commun et vie commune dans les monastères de femmes de Sainte-Glossinde et Sainte-Marie-aux-Nonnains de Metz aux XIIIe et XIVe siècles (S. 255–276), zeigt am Beispiel der beiden Metzer Benediktinerinnenklöster, dass die Ausstattung der Nonnen mit Pfründen und die damit verbundene Aufspaltung des gemeinsamen Klosterguts zwar der Regel widersprach, in der Praxis aber dazu beitrug, dass die Schwestern die Verpflichtungen, die sich aus ihren Gelübden ergaben, erfüllen konnten. – Marie-José Gasse-Grandjean, Cum arboribus. Des arbres omniprésents et des arbres dans les jardins (S. 277–311), geht der Erwähnung von Bäumen in ma. Urkunden, insbesondere in den Pertinenzformeln, nach. Bäume gehörten zum Alltag und wurden deshalb nur selten näher beschrieben. – Catherine Guyon, Entre moines et chanoines réguliers, l’exemple de la Lorraine aux XIIe et XIIIe siècles (S. 313–334), unterstreicht den Einfluss, den die Zisterzienser auf die Prämonstratenser in Lothringen ausübten, etwa bei der Architektur ihrer Kirchen oder der Güterverwaltung. Konflikte zwischen Regularkanonikern und Mönchen blieben die Ausnahme. – Benoît-Michel Tock, L’édition et l’étude des chartes épiscopales dans l’œuvre de Michel Parisse (S. 337–352), bietet einen Forschungsüberblick zur Diplomatik der Bischofsurkunde und betont die Bedeutung dieser Quellengruppe für unsere Kenntnis der ma. Gesellschaft. – Jean-Pol Évrard, Les originaux des évêques de Verdun: leurs caractères externes (1032–1224) (S. 353–387), interessiert sich für die äußeren Merkmale, u. a. die Siegel, der 117 im Original überlieferten Urkunden der Bischöfe von Verdun, ausgestellt zwischen 1032 und 1224. Ein Einfluss von Königs- oder Papsturkunden lässt sich nicht erkennen. – Jean-Christophe Blanchard, L’apparition des armoiries sur les sceaux des évêques de Metz (S. 389–414), widmet sich den Siegelbildern der Metzer Bischöfe von Bertram (1180–1212) bis Gérard de Reninge (1297–1302). Unter Philippe de Florange (1261–1263) erschien erstmals das Familienwappen auf dem Rücksiegel, während diese Praxis sich in Toul, Verdun, Trier und Köln erst später einbürgerte. – Valérie Serdon, Les espaces funéraires sur le mont Saint-Vanne de Verdun. Réflexions sur les enjeux dynastiques et mémoriaux (S. 415–445), behandelt die Rolle der Abtei Saint-Vanne als Grablege der Bischöfe (bis ins 10. Jh.) und Äbte sowie von Angehörigen des Ardenner Grafenhauses. – Jean-Luc Fray, Michel Parisse et l’histoire urbaine médiévale (S. 449–462), würdigt die Arbeiten von Parisse insbesondere zur Geschichte der drei lothringischen Bischofsstädte. – Philippe George, Vers l’an mil aux confins de la Lotharingie et de la Francie. Cadeaux diplomatiques, instruments mémoriels et art religieux (S. 463–478), richtet seine Aufmerksamkeit auf das Wirken Bischof Notgers von Lüttich (972–1008). In diesem Zusammenhang geht er auch auf das ottonische Kreuzreliquiar von Sainte-Croix ein, das ihm Kaiser Heinrich II. geschenkt haben soll, sowie auf den Codex Stabulensis (Bamberg, Staatsbibl., Msc. Hist. 161), den Heinrich vielleicht von ihm erhielt. – Anne Wagner, La poutre de lumière (S. 479–489), stellt das Motiv des Sonnenstrahls vor, das in Viten vor allem des 9.–12. Jh. die göttliche Gnade, die dem Heiligen zuteil wurde, symbolisierte.
Rolf Große
(Rezensiert von: Rolf Große)