Khrystyna Fostyak, Jakob von Paradies (1381–1465) als Theologe der monastischen Reform. Eine Untersuchung seiner beiden Schriften Formula reformandi religiones ab observantia lapsas und De perfectione religiosorum. Mit einem Textanhang (Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinertums N.F. II/3 – Diskurs und Gemeinschaft, Serie 2,3) Münster 2022, Aschendorff Verlag, 291 S., ISBN 978-3-402-10387-6, EUR 49. – Mit Jakob von Paradies stellt F. eine Person vor, die aus dem soziokulturellen Umfeld von Universität, Kirchenpolitik, Reformdiskurs, aber auch tagesaktuellen Diskussionen schließlich zu einem in der Kartause für die Kartause fruchtbaren Schriftsteller wurde, der aber auch aus der Kartause heraus gehört werden wollte und wurde. Mit einem Zitat nach Thomas Wünsch: „Wie konnte es geschehen, dass aus dem Konziliaristen, der er als Theologieprofessor an der Universität Krakau bis 1441 war, ein Mystiker, Moralist und monastischer Reformer wurde, als der er 1464 in der Kartause von Erfurt starb?“ (S. 12) führt F. in das Themenspektrum der Arbeit ein. Mit der Entscheidung, die Traktate Formula reformandi und De perfectione religiosorum zu edieren und zu analysieren, legt F. einen Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage vor. Mit der Feststellung, „dass die reformorientierten“ und um Reform sowohl bemühten als auch einer Reform zugänglichen „Mönche des 15. Jahrhunderts nicht so sehr das Proprium des je eigenen Ordens suchten, sondern vor allem eine Intensivierung von Askese, Geistigkeit und Regeltreue anstrebten“ (S. 204), stellt sie sich auch in die Tradition von Dieter Mertens, Erika Bauer und schließlich Jarosław Stoś. Die im Bibliothekskatalog der Erfurter Kartause (Johannes de Indagine) überlieferte biobibliographische Skizze zu Jacobus de Paradiso belegt die durch seine verschiedenen Handlungsspielräume und Tätigkeitsfelder bestimmten Themata seiner Werke. Ergänzt wird dieses Szenario durch die Untersuchung der Rezeption auch außerhalb der Kartause Erfurt; vor allem in Bibliothekskatalogen, die etwa gleichzeitig in anderen Kartausen das Werk des Jacobus verzeichnen und damit die Rezeption belegen. Noch deutlicher zeigt sich die Dichte der Rezeption in Katalogen aus Klöstern anderer Orden, insbesondere in der Benediktinerabtei Melk. Im Fall der Benediktiner kommt im Überlieferungsprozess vor allem den Schaltstellen der Reform, Bursfelde, Melk und Tegernsee, große Bedeutung zu. Andererseits hatten auch die Theologen der Universitäten Wien und Erfurt einen wichtigen Anteil. Die Formula reformandi hatte Jacobus auf Bitten der Benediktiner von Bursfelde verfasst; schon 1458 wurde sie durch den Melker Benediktiner Martin von Senging dort abgeschrieben und nach Melk gebracht. Jacobus von Paradies bedient sich eingängiger Begründungen für seine Reformtheologie und bemüht sich um Nachvollziehbarkeit (vgl. S. 207). Er steht damit im Reformdiskurs, der sich um die Erneuerung monastischer Disziplin bemüht; dieses Bemühen beruht aber nicht auf der Einforderung eines stupiden Gehorsams, sondern auf einer stupenden Erläuterung der Basis, auf der man steht. Bei der Analyse der Quellenbasis, in der F. die Rezeption des Thomas von Aquin im Kontext von via antiqua und via moderna vor dem Hintergrund einer „monastisierten Gelehrsamkeit“ (S. 147 nach Dirk Wassermann) beleuchtet, verweist sie auf die Schlusskapitel der Secunda Secundae der Summa theologiae, in welchen „der heilige Thomas eine sehr tiefe Sicht des monastischen Lebens entwickelt, die auf einer langen Tradition beruhte“ (S. 150). Vor diesem Hintergrund sind die zentralen Themen des Jacobus der Gehorsam, aber auch Fragen zu Besitz und Verantwortung diesem gegenüber. In De perfectione religiosorum verknüpft Jacobus Heinrich von Gent und Thomas von Aquin. Mit diesem Nachweis verliert er zwar den Status der Originalität, der ihm von Johann Auer zugeschrieben wurde (vgl. S. 203), andererseits wird aber gerade hier noch vertiefende Forschungsarbeit zu leisten sein. Insgesamt hat, und dies ist ein wesentlicher Punkt im Reformdiskurs und ein wichtiges Ergebnis von F.s Analyse, vor dem Hintergrund monastischen Lehrens und Lernens im universitären Kontext die „Thomas-Renaissance“ eine Entsprechung in der monastischen Theologie. Ebenso, auch hier ist F. zuzustimmen, bedarf es weiterer vertiefender Untersuchung, um den Auctoritates in der Reformtheologie auf der Spur zu bleiben. In De perfectione religiosorum ruft Jakob von Paradies die religiosi auf, merito solliciti exploratores et scrutatores studiorum suorum religiosi esse debent et tenentur, ne in tenebris ambulantes nesciant, quo vadant (S. 233). F. verdeutlicht überzeugend, welcher Stellenwert der exploratio und scrutatio zukommt. Diese Monographie sei zusammenfassend jedem empfohlen, der sich mit Gelehrsamkeit im Umfeld von Gesellschaft, Hof, Universität und Kloster beschäftigt.
Meta Niederkorn-Bruck
(Rezensiert von: Meta Niederkorn-Bruck)