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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

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Dieter Büker, In neuem Licht – Der Klosterplan von St. Gallen. Aspekte seiner Beschaffenheit und Erschaffung, mit einem Beitrag von Alfons Zettler, Berlin u.a. 2020, Peter Lang, 235 S., Abb., ISBN 978-3-631-81455-0, EUR 49,95. – Der imposante und detaillierte Klosterplan von St. Gallen (Stiftsbibl., Cod. 1092) ist die älteste Architekturzeichnung des westlichen MA. Er liefert wichtige Informationen über die Konzeption und Organisation eines Klosters im 9. Jh. Die Herstellung einer solchen großformatigen geometrischen Zeichnung wirft Fragen zu Vorlagen, Gestaltung und Umsetzung auf, die schon breit diskutiert wurden. So haben Walter Horn / Ernest Born (1979, vgl. DA 37, 937) den Plan als Kopie eines Modells interpretiert. Seitdem wurden immer mehr materielle Konstruktionsspuren an dem Plan identifiziert. Das Buch von B. (hervorgegangen aus seiner Diss. an der Technischen Univ. Dortmund von 2017) knüpft daran an und konzentriert sich insbesondere auf das Auffinden von Einstichlöchern (Prickings) im Plan und deren Interpretation. Dies auf der Grundlage verschiedener Fotografien in hoher Auflösung oder unter spezieller Beleuchtung, die insbesondere von Robert Fuchs und Doris Oltrogge erstellt wurden. B. hat zu seinem eigenen Bedauern nie den Originalplan einsehen können. Diese vermuteten Einstichlöcher sind die Basis seiner These, dass der Plan mit Hilfe von Zirkel und Lineal nach geometrischen Proportionsprinzipien konstruiert worden sei. So versichert B., dass er den Plan auf der Grundlage von Kreisen und Linien am Computer genau nachbilden konnte. Er suggeriert eine eigenständige Umsetzung des Grundrisses, bei der die Proportionen im Vordergrund stehen und bei der es sinnlos wäre, nach einem bestimmten Maßstab zu suchen. Unabhängig von den Markierungen, die der Zirkel auf dem Pergament hinterlässt, erscheint dieses Prinzip plausibel. Für den Leser bleibt es jedoch schwierig, die beobachteten Einstichlöcher anhand der Reproduktionen zu beurteilen; der online verfügbare Plan (e-codices) hilft hier ebenfalls nicht weiter. Die Argumentation ist streckenweise schwer nachvollziehbar, auch weil sie sich in Details zu verlieren droht. Da das Buch aus verschiedenen Teilartikeln zusammengestellt ist, ist ein synthetisches Verständnis der These nicht einfach; ein beigefügter Beitrag von Z. gilt der Autorschaft und den möglichen Adressaten des Plans. Anders als B. behauptet (z.B. S. 19), muss der Konstruktcharakter des Plans nicht im Widerspruch zu weitergehenden Deutungen stehen, etwa als Materialisierung von Prinzipien der Regula Benedicti. Das „neue Licht“ besteht insofern im Wesentlichen in einem Vorschlag für ein mögliches Herstellungsverfahren des St. Galler Klosterplans.

Sabine Utz

(Rezensiert von: Sabine Utz)