Joëlle Rollo-Koster, The Great Western Schism, 1378–1417. Performing Legitimacy, Performing Unity, Cambridge 2022, Cambridge Univ. Press, XIII u. 406 S., Abb., ISBN 978-1-107-16894-7, GBP 94,99. – Mit diesem großartigen Werk belegt R.-K. wieder einmal, dass sie eine der führenden, wenn nicht gar die führende Spezialistin für das Große Abendländische Schisma ist. Ihre neue Synthese arbeitet mit einer anthropologischen Perspektive, ausgehend von Victor Turners Konzept des „sozialen Dramas“ und dem Begriff der Performanz. Performanz bedeutet das Zurschaustellen von Macht, um seine Autorität zu festigen: Autorität muss sichtbar, hörbar, fassbar, vorgezeigt werden. Mithilfe dieses Werkzeugs interpretiert R.-K. das Große Schisma als eine Abfolge von vier Phasen: Bruch – die Papstwahl von 1378; Krise – die Teilung der westlichen Christenheit; Bewältigung der Krise – Trennungen und Konzilien; Reintegration – ein Papst (1417). Damit stellt R.-K. die bisherige Forschung mit ihrer Konzentration auf die Institutionen in Frage und versucht das Große Schisma in seiner eher sozialen, menschlichen, anthropologischen Dimension zu verstehen, indem sie es als soziales Drama, also als soziokulturelles Phänomen betrachtet. „Medieval people dealt with and responded to disruptions with performances ... and spectacles“ (S. 358). Mit diesem Rückgriff auf die Performanzforschung und die Ethnologie öffnet sie eine Tür zu einer „Histoire des sensibilités“, wie sie Lucien Febvre schon 1941 gefordert hat. Auf diese Weise wird das Große Schisma zu einem erstrangigen Objekt, an dem man die Konstruktion von Legitimität und die Inszenierung von Autorität mittels der unterschiedlichsten Medien analysieren kann: Objekte (die Goldene Rose, der Teppichzyklus der Apokalypse von Angers, die Veronica), Räume (die Pfarrei St-Didier, Trastevere), Architektur (der Turm Quiquengrogne in Avignon, das Castel Sant’Angelo) und Narrative (die Chroniken von Antonio Baldana und Ulrich Richental). R.-K. betont die sinnliche Dimension von Ritualen, Liturgie, künstlerischen und kulturellen Darstellungen, literarischen und archivalischen Diskursen und untersucht, wie Päpste beider (oder gar von drei) Obödienzen Sehen, Fühlen, Musik und Düfte performativ einsetzten, denn: „Medieval politics at large were sensorial and embodied“ (S. 359). Das Buch ist gegliedert in sieben Kapitel: c. 1: „The Great Western Schism: A Social Drama“; c. 2 zur Performativität des Papsttums mit einer Betrachtung der Goldenen Rose und zweier Marienfeste (Mariä Tempelgang und Mariä Heimsuchung); c. 3 zu literarischen und künstlerischen Diskursen (De magno schismate des Antonio Baldana, die Chronik des Ulrich Richental, die Apokalypse von Angers); c. 4 mit einem Vergleich zwischen verschiedenen Diskursen; c. 5 eine liturgiewissenschaftliche Studie zu päpstlichen Begräbnisritualen, gestützt auf die ordines von François de Conzié und Pierre Amiel de Brenac; c. 6 und 7 zu den beiden Stadträumen, die rituell genutzt wurden, Rom und Avignon. Die Bibliographie überwältigt durch ihre breite Erfassung der einschlägigen Literatur in englischer, französischer, deutscher, italienischer und spanischer Sprache und belegt die schier unglaubliche Belesenheit der Vf. R.-K. bewegt sich mit gleicher Sicherheit in den heiklen Sphären von Gefühlen, politischen Intrigen, künstlerischen Feinheiten, Ethnologie, Performativität und komplexen soziologischen Theorien. Sie bietet eine fundamentale Synthese, und das aus einer neuen, originellen und intelligenten Perspektive. Damit zeigt die anregende und bahnbrechende Arbeit das Große Abendländische Schisma als idealen Ausgangspunkt für die historische Betrachtung der Frage, was eine Krise ausmacht.
Bénédicte Sère (Übers. V. L.)
(Rezensiert von: Bénédicte Sère)