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Royal Nunneries at the Center of Medieval Europe. Art, Architecture, Aesthetics (13th–14th Centuries), ed. by Klára Benešovská / Tanja Michalsky / Daniela Rywiková / Elisabetta Scirocco with the collaboration of Zuzana Frantová (Convivium Supplementum 9) Turnhout 2022, Brepols, 165 S., Abb., ISBN 978-80-280-0023-3, EUR 75. – Der Band widmet sich einer besonderen Gruppe von ma. Frauenklöstern, die nicht allein aufgrund ihrer königlichen Herkunft eine Sonderstellung beanspruchen konnten, sondern auch untereinander durch verwandtschaftliche Bindungen eng verknüpft waren. Eine solche Konstellation ergab sich in Zentraleuropa während des 13. und 14. Jh. Ihren Ausgangspunkt bildete die Dynastie der ungarischen Arpaden, deren Herrschaft sich im 13. Jh. durch Heirat mit den französisch-provenzalischen Anjou, über Isabella von Aragón 1282 mit dem Königreich Portugal unter König Dionysius sowie zuletzt über die Heirat des 1301 verstorbenen letzten Arpaden Andreas I. mit Agnes, einer Tochter des ermordeten Albrecht von Habsburg, mit dem aufsteigenden Geschlecht der Habsburger verband. Wie die Hg. in ihrer Einführung (S. 11–19) betonen, ging es bei der an drei Orten veranstalteten Zoom-Konferenz in der Hauptsache um eine vergleichende Untersuchung hinsichtlich Kunst, Architektur und Ästhetik. Die teilnehmenden Forscher kamen in der Mehrheit aus denselben Ländern wie ihre Objekte, was im heutigen Wissenschaftsbetrieb ein Novum ist. Alle Beiträge wurden aber ins Englische übersetzt. Neben bekannten Objekten war man insbesondere auch bemüht, unbekanntere Frauenklöster aus Ungarn, Polen und Tschechien aufzuspüren und mit der Kunst und Architektur westeuropäischer Beispiele in Beziehung zu setzen. Wie bei Jakub Adamski / Piotr Pajor (S. 23–37) deutlich wird, liefen die Verbindungen vielfach über die Verbreitung der Bettelorden und insbesondere über die Franziskaner. Zwar waren die Klarissenklöster in gewissem Maß auch an das Armutsgebot des ersten Ordens gebunden, vielfach aber erfüllten sie als Besitzträgerinnen des ersten Ordens komplementäre Aufgaben. Das machte sie auch attraktiv für den Hochadel. Die Gruppe der königlichen Klarissenklöster wird angeführt von Susan Marti (S. 39–55) über die habsburgische Gründung Königsfelden in der Schweiz, errichtet am Ort des Gedenkens an die Ermordung des deutschen Königs Albrecht I. im Jahr 1308. Stifterin war die Königinwitwe Elisabeth von Görz-Tirol († 1313). Sie wurde unterstützt von ihrer Tochter Agnes von Ungarn, die 1317 in Königsfelden Wohnsitz nahm und bis zu ihrem Tod im Jahr 1365 die Geschicke des Klosters bestimmte, ohne selber einzutreten. Sie führte selbständig die Verhandlungen mit den Oberen des Franziskanerordens und setzte eine Regelung durch, bei der das Vermögen des männlichen Zweigs an den Schwesternkonvent übertragen wurde und die Brüder frei von materiellen Verpflichtungen ihrer Hauptaufgabe, dem Gebet für das Haus Habsburg und Agnes’ verstorbenen Gatten, nachkommen konnten. Nur auf dieser materiellen Grundlage war Königsfelden auch als Barfüßerkloster in der Lage, noch zu Lebzeiten von Agnes Kunstschätze von höchster Qualität zu erwerben. Zu erwähnen sind der steinerne Sarkophag Elisabeths und ihrer Nachkommen im Zentrum des Kirchenschiffs, die heute im Bernischen Kunstmuseum aufbewahrten Altarantependien sowie die größtenteils noch in situ vorhandenen farbigen Glasfenster, in denen das ungarische Doppelkreuz eine Sonderstellung einnimmt. Durch Michaela Zöschg (S. 57–75) wird das ganze Panorama der Klarissenklöster in Süditalien einbezogen und mit einer willkommenen Karte über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Stifter ergänzt. Besonders eng gestaltete sich das Verhältnis zwischen Königsfelden und den Klarissenklöstern Santa Chiara und Donnaregina in Neapel. Santa Chiara wurde von König Robert von Anjou († 1343) und seiner Gattin Sancha von Mallorca († 1345) gestiftet, Maria Donnaregina von Maria von Ungarn († 1323), der verwitweten Mutter Roberts von Anjou. Sie war für Agnes das verbindende Glied zur ungarischen Dynastie ihres verstorbenen Mannes. In Santa Chiara begraben wurde auch eine Schwester der Agnes von Ungarn, Margaretha von Habsburg († 1329), die mit Karl von Kalabrien († 1328) aus dem Haus Anjou verheiratet gewesen war. Besonders erwähnenswert ist der Sarkophag für die Königinmutter Maria von Ungarn. Zum Kreis der königlichen Frauenklöster mit kunstvollen Sarkophagen gehört auch das von Isabel von Aragón und ihrem Gatten Dinis gegründete Zisterzienserinnenkloster St. Dinis mit eigenem Mausoleum nördlich von Lissabon, das von Giulia Rossi Vairo (S. 77–91) vorgestellt wird. Gegenstand der Konferenz waren aber nicht nur die bekannten königlichen Stiftungen, sondern auch Frauenklöster des mittleren Adels, wie beispielsweise diejenigen in Latium, die hier von Angelica Federici (S. 93–111) untersucht werden, besonders eindrücklich das für die Anfänge des Dominikanerordens wichtige Kloster S. Sisto vecchio wie das nahezu unbekannte Sant’Agnese fuori le mura außerhalb Roms, das Ende 16. Jh. nach einem Plan von Alberto Alberti neu errichtet wurde. Von Rom führt der Band zurück zu den Spuren klösterlichen Lebens in Breslau (Wrocław): Im Mittelpunkt des interessanten Beitrags von Agnieszka Patała (S. 113–135) stehen die Kunstschätze des Klarissenklosters und der benachbarten St. Hedwigskapelle mit der Ahnengalerie der schlesischen Dynastie der Piasten. Den Schluss bildet Eszter Konrád (S. 137–153) mit der etwas spekulativen Suche nach einer vergessenen ungarischen Prinzessin aus dem Haus der Arpaden im 15. Jh., die dank dem Scharfsinn von Gábor Klaniczay plötzlich wieder unter die bekannten Heiligen dieses Geschlechts eingereiht werden konnte. Seine Hauptquelle ist der bekannte Ordenshistoriograph Johannes Meyer, der ihr in seinem Liber de viris illustribus Ordinis Praedicatorum eine kurze Biographie gewidmet hat. Dies verdankte Elisabeth, Tochter König Stephans (ca. 1270), vermutlich ihrer Verwandtschaft mit Margaretha von Ungarn, der Äbtissin des Frauenklosters auf der nach ihr benannten Margaretheninsel bei Budapest, deren Kult allerdings erst von der dominikanischen Observanz gefördert wurde. Der schön gestaltete Band vereint ost-westliche Forschungsbemühungen und vermag gerade durch seine stringente Konzentration auf die gewählte Fragestellung einen wichtigen Beitrag zum weiblichen Klosterwesen in Europa zu leisten. So öffnet das Schlusswort von Hg. B. (S. 156–163) bereits den Blick auf ein neues Fenster zu den tschechischen Frauenklöstern. Man darf gespannt sein.

Martina Wehrli-Johns

(Rezensiert von: Martina Wehrli-Johns)