Networking Europe and New Communities of Interpretation (1400–1600), ed. by Margriet Hoogvliet / Manuel F. Fernández Chaves / Rafael M. Pérez García (New Communities of Interpretation 4) Turnhout 2023, Brepols, 247 S., Abb., ISBN 978-2-503-60621-7, EUR 75. – In der glasklar formulierten Einführung zu diesem Sammelband schlagen die Hg. zwei Interpretationsmuster („theoretical foundations“) vor, die bei der Analyse von „communities of interpretation“ mit Gewinn angewendet werden können. Zum einen die Transnationalität, die historische Ereignisse ohne Berücksichtigung der politischen Grenzen von Staaten und Nationen studiert und interpretiert. Grenzen sind ja fließend und durchlässig, nationale Identitäten sind nicht dauerhaft. In dieser Optik geht es darum, transnationale „contact zones“ und „connecting links“ zu identifizieren. Als zweites Interpretationsmuster wird ein Netzwerkmodell vorgeschlagen. Netzwerke werden im Rahmen dieses Buchs definiert als „facilitators of the dissemination of religious ideas and religious books“ (S. 29). Netzwerke sind keine passiven Strukturen, sondern „are understood as having functions and agency, most notably their instrumentality in the transportations of objects, ideas, information, and texts“ (S. 26). Nach Rafael M. Pérez García (S. 39–52) bildet ein Corpus von transnational rezipierten mystischen Werken des MA aus unterschiedlichen spirituellen Traditionen die Grundlage von Francisco de Osunas Tercer Abecedario Espiritual (Toledo 1527). Träger der mystischen Tradition sind vor allem die Orden, die hier als Netzwerke verstanden werden. Osuna rezipierte diese Tradition und machte sie in seinen gedruckten Werken, vor allem im Abecedario, einem breiteren Publikum zugänglich. Bei Mirosława Hanusiewicz-Lavallee (S. 53–70) geht es um transnationale Netzwerke polnischer Anhänger der frühen Reformation, deren Werke über die Verfolgung ihrer Glaubensgenossen um die Mitte des 16. Jh. von Johannes Oporinus in Basel gedruckt wurden. Im Zentrum stehen das protestantische Martyrologium des Cyprian Bazylik und verwandte Werke anderer Autoren aus verschiedenen Ländern. Bazyliks Übersetzungen und Bearbeitungen aus dem Lateinischen richten sich an eine transnationale community polnischer Protestanten – in Polen und anderswo. In einem lesenswerten Beitrag interpretiert Marcin Polkowski (S. 71–97) die Vorreden zu volkssprachigen theologischen Werken, die im Zeitraum 1477–1530 in Delft gedruckt wurden. Wenn in diesen Vorreden Laien (laici) als intendiertes Publikum angesprochen werden, sind unterschiedliche Personengruppen gemeint: fromme, gebildete Männer und Frauen, Kleriker mit den niederen Weihen, Pfarrer ohne höhere Bildung, Familien. Es ist fraglich, inwieweit einzelne laici eine „community of interpretation“ bilden konnten, auch wenn vor Ort soziale Netzwerke vorhanden waren, die das Lesen frommer Werke förderten. Margriet Hoogvliet (S. 215–247) stellt anhand von drei Pilgerberichten aus dem späten 15. und frühen 16. Jh. überzeugend dar, wie Kaufleute und Pilger aus Flandern und Nordfrankreich unterwegs und am Zielort dieselbe Infrastruktur benutzten und Teil derselben transnationalen Netzwerke waren. Nicht nur Waren wurden transportiert, auch religiöse Vorstellungen und Praktiken. Straßen, Hospize, Häfen und Reiserouten bildeten Netzwerke. Reisen war „gefährlich“, aber die offensichtlich gut funktionierenden Netzwerke verringerten die Risiken. Die Zugehörigkeit eines Reisenden zu einer der nationes war wichtig, aber nicht entscheidend bei der Benutzung der Infrastruktur. Weitere Aufsätze behandeln rein neuzeitliche Themen. Ein gelungenes Buch.
Eef Overgaauw
(Rezensiert von: Eef Overgaauw)