Niederösterreichisches Urkundenbuch. Vierter Band (1182–1205), bearb. von Roman Zehetmayer unter Mitarbeit von Sonja Lessacher / Günter Marian / Ronald K. Salzer / Dagmar Weltin-Huber (Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 8,4) St. Pölten 2023, Niederösterreichisches Institut für Landeskunde, 874 S., 4 Karten, ISBN 978-3-903127-42-5, EUR 55. – Der vierte Band des am Niederösterreichischen Landesarchiv erarbeiteten Urkundenbuchs entspricht in Umfang und Erfassungszeitraum (26 bzw. 23 Jahre, allerdings mit Nachträgen aus früherer Zeit ab D H IV. 320) annähernd seinem Vorgänger (vgl. DA 74, 748f.), und tatsächlich wurde das Jahr 1205 als Abschluss nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern des erreichten Umfangs wegen gewählt, wie Z. im Vorwort einräumt (S. 22). Die formale Gestaltung ist unverändert. Wieder wurden die bewährt sorgfältig edierten Urkunden in – diesmal 23 – Abschnitten, orientiert an Empfängern oder Empfängergruppen, vorwiegend österreichischen und bayerischen Klöstern, zusammengefasst und kommentiert, was eine chronologische Konkordanz zu Beginn erforderlich macht. Das Vorwort weist auf die Zunahme lokaler Siegelurkunden, aber auch impetrierter Papsturkunden – mit denen die kaiserlichen längst nicht mithalten können – hin, ebenso auf eine fassbar werdende personelle Verstetigung im landesfürstlichen Urkundenwesen. Traditionsnotizen spielen nach wie vor eine Rolle, sogar mehr, als im Band sichtbar wird, da die umfangreichen Traditionsbücher der Klöster Göttweig und Klosterneuburg gesondert publiziert werden sollen. Diplomatischen Problemen hat der Hg. auch einen im voraus erschienenen Aufsatz gewidmet (vgl. DA 79, 233). Wie seine Vorgänger bietet der Band neben den obligaten Verzeichnissen und Registern auch wieder Beschreibungen der Träger kopialer Überlieferungen im Anhang. Datierung, diplomatische und paläographische Fragen werden in Anmerkungen zum jeweiligen Stück, solche zu Inhalt und Kontext in den abwägenden Kommentaren am Ende jeder Gruppe behandelt. Hier finden sich knappe Exkurse zur Sozialstruktur, dem in Diskussion gekommenen Lehenswesen in der Praxis, dem Pfarrnetz, der Aussage von Urkunden über Bauwerke, zu rechtlichen Fragen und immer wieder zu den als Akteure oder Zeugen vorkommenden Adeligen und Ministerialen, ihrer Genealogie, ihren Besitzungen und ihrem Verhältnis zu Fürsten und Klöstern. Einige Grenzbeschreibungen erlauben die kartographische Darstellung. Neben Urkunden von und für Personen und Institutionen auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes wurden auch solche aufgenommen, in denen Personen oder Orte in diesem Bereich genannt sind; über deren zum Teil nur auszugsweise Wiedergabe muss man nicht glücklich sein, da der Anteil des Angeführten im Gesamtkontext verunklärt wird, aber auf vorliegende komplette Drucke wird verwiesen. Unter den wenigen bisher unedierten Urkunden finden sich zwei des auch für die Rezeption des kanonischen Rechts bedeutenden Passauer Bischofs Wolfger von Erla (Nr. 25, 194), der im ganzen Band markant in Erscheinung tritt und damit seinen ebenfalls sehr aktiven Vorgänger Diepold übertrifft. Sonst stammen die meisten Siegelurkunden, nicht überraschend, von den österreichischen und steirischen Herzögen, wozu auch die vier Regierungswechsel im erfassten Zeitabschnitt und die daraus resultierenden Privilegienbestätigungen, vielfach Mautbefreiungen für Klöster, beitragen. Aber auch böhmische und ungarische Fürsten- und Königsurkunden und solche der Salzburger Erzbischöfe sind enthalten. Adelige Rechtshandlungen sind noch weitgehend in Traditionsnotizen dokumentiert. Inhaltlich fallen die Vorbereitungen auf den dritten Kreuzzug und seine teils fatalen Folgen auf, aber man pilgerte nicht nur bewaffnet ins Heilige Land, sondern auch friedlich, wenn auch nicht risikofrei, nach Rom und Santiago (Nr. 208, 2113). Rodungen und Neubrüche sorgten für Dispute, sozial zeigen sich Differenzierungen am „unteren“ Rand der vorkommenden Personengruppen, der Transport auf der Donau, den die Kremser und Wiener Schiffsführer (Nr. 194) nicht den Regensburgern und Passauern überließen, macht sich bemerkbar. Die fleißigen Fälscher des 13. Jh. wiesen eher wenige ihrer Produkte den hier erfassten Jahren zu. – Ob, wenn die sich absehbar verschlechternden Umstände es erlauben, an eine chronologische Weiterführung der wertvollen Edition oder an den Einschub der eingangs genannten Traditionsbücher gedacht ist, spricht der Hg. nicht an. Man wäre in beiden Fällen zufrieden.
Herwig Weigl
(Rezensiert von: Herwig Weigl)