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Enno Bünz, Der Leibarzt als neues Phänomen an den Fürstenhöfen des späten Mittelalters (SB Leipzig 143,1) Stuttgart 2023, S. Hirzel, 38 S., ISBN 978-3-7776-3465-4, EUR 13. – Es ist sehr verdienstvoll, dass B. sich in dieser nach allen Regeln der Kunst verschriftlichten Akademierede einem medizinhistorischen Desiderat gewidmet hat. Das Forschungsinteresse an europäischen Hof- und Leibärzten hat zwar in den letzten Jahren deutlich zugenommen und sich unter anderem in einem Themenheft des Medizinhistorischen Journals (2018/3–4) und in einem von Marina Hilber und Elena Taddai herausgegebenen Tagungsband (2021) niedergeschlagen. Aber für die Phasen des hohen und späten MA, innerhalb derer B. jetzt die Entstehung und Entwicklung des Phänomens „Leibarzt“ schlüssig nachweist, gab es bislang kaum Studien. Nach einem Einstieg über zwei frühe bildliche Darstellungen von Ärzten an der Seite König Wilhelms II. von Sizilien und Kaiser Heinrichs VI., die konkreten historischen Situationen (1189 bzw. 1191) zugeordnet werden können, bietet B. zunächst einen umfassenden Forschungsbericht (wobei auch der gesamte Text mit Hinweisen auf Quellen und Sekundärliteratur üppig versehen ist, die für zukünftige Forschungen sehr hilfreich sein werden). In einem dritten Teil reflektiert B. über die mehrdeutigen Begriffe physicus und liparzet/Leibarzt: Ersterer bezeichnet den gelehrten Arzt (im Hoch-MA in der Regel magister, später auch doctor, im Gegensatz zum häufig nicht studierten Wundarzt/chirurgus), letzterer zunächst den „Internisten“ (ebenfalls im Gegensatz zum für äußere Krankheiten zuständigen Wundarzt) und erst im Lauf des Spät-MA den exklusiv für die Gesundheit eines Fürsten und gegebenenfalls seiner Familie zuständigen Arzt. Der vierte Abschnitt erläutert, warum die Position des akademisch gebildeten Leibarztes an Höfen und Residenzen das Interesse des Allgemeinhistorikers weckt: insbesondere weil die entsprechende Residenz- und Landesgeschichtsforschung sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend der Geschichte von sozialen Gruppen und ihren kulturellen Lebensformen widmet. B. bezeichnet die Ärzteschaft im Unterschied zu Rat und Kanzlei „als eine noch weithin unbekannte Größe der spätmittelalterlichen Höfe“ (S. 19). Der Beitrag macht ferner deutlich, wie Leibärzte sich im Lauf des 14. Jh. (ausgehend von den kaiserlichen, königlichen und päpstlichen Höfen) auch an den mittleren Fürstenhöfen kontinuierlich verbreiteten. Als Landeshistoriker vergleicht B. zwei territoriale Beispiele, nämlich Leibärzte in Hessen und Württemberg, bevor er in einem letzten, systematisch angelegten Teil einige Aspekte darstellt, die den fürstlichen Leibarzt im 15. Jh. kennzeichnen: akademische Ausbildung vorwiegend in Italien, zunehmend weltlicher Stand (was eine Besoldung durch geistliche Pfründen ausschloss), hervorragende Bezahlung, hohe Mobilität, oft vielfältige Dienstbeziehungen parallel bei verschiedenen Fürstenhäusern und zusätzlich bei Städten, Territorien und Universitäten. B. hat eine hervorragende Übersicht vorgelegt, die natürlich durch weitere interdisziplinäre Forschungen noch ergänzt und fundiert werden muss. Aus medizinhistorischer Sicht wäre insbesondere eine Verknüpfung mit der teilweise schon bekannten praktischen und literarischen Tätigkeit der an den Höfen tätigen Leibärzte von großem Interesse.

Daniel Schäfer

(Rezensiert von: Daniel Schäfer)