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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

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Antonio Musarra, Urbano II e l’Italia delle città. Riforma, crociata e spazi politici alla fine dell’XI secolo (Studi e ricerche. Storia 790) Bologna 2023, Il mulino, 319 S., ISBN 978-88-15-38304-4, EUR 28. – Der Pontifikat Urbans II. (1088–1099) hat in der Mediävistik große Aufmerksamkeit erregt. Diese Monographie jedoch ragt aus der umfangreichen Literatur heraus, indem sie die Interaktion zwischen drei historischen Phänomenen untersucht, die in der Regel getrennt voneinander erforscht werden, nämlich die „Kirchenreform“, die ,,Kreuzzugsbewegung“ und die ,,Stadtkommune“. Das Buch beginnt mit einer prägnanten Einführung zum Reformprogramm sowie zur Kirchenpolitik Urbans II., auf die eine nähere Betrachtung der Papstreise nach Norditalien und Gallien (1095/96) folgt. In diesem Kapitel begegnet uns ein Novum in der Papstforschung: Hat sich diese bisher vornehmlich auf die Handlungen des Papstes nördlich der Alpen konzentriert, betont M. nun auch die Bedeutung der oberitalienischen Etappen der Papstreise. Diese seien nicht zu unterschätzen, da sie nicht nur eine genauere Definition der päpstlichen Reformanliegen, sondern auch eine beträchtliche Stärkung der Position Urbans im Konflikt gegen Wibert/Clemens (III.) bewirkten. Dank einem akribischen Vergleich von historiographischen, kanonistischen und brieflichen Quellen kann M. im dritten Kapitel eine kohärente Rekonstruktion der universalistischen Ekklesiologie Urbans II. bieten: So waren die von Gott gewollten Heerzüge gegen die Muslime vom Papst nicht nur als Mittel zur moralischen Reinigung der Christianitas sowie zur Wiederherstellung der libertas ecclesiae in den befreiten Territorien gedacht, sondern auch als Instrumente zur Stärkung des römischen Universalprimats. Im Mittelpunkt des vierten Kapitels steht die Rolle des oberitalienischen Episkopats hinsichtlich der gesellschaftlich-politischen Wandlungen des urbanischen Zeitalters. Hier warnt M. nach einer näheren Betrachtung von Fällen, für die ein direkter Eingriff des Papstes belegt ist (Genua, Bologna, Mailand, Tuszien), vor irreführender Verallgemeinerung: Auch wenn in allen untersuchten Fällen der Versuch Urbans II. zu erkennen ist, die von ihm unterstützten Bischöfe zu Instrumenten zur Verstärkung der Reformpartei und der päpstlichen Prärogativen zu machen, waren die Reaktionen der lokalen gesellschaftlichen Kräfte doch zu unterschiedlich. Die Monographie schließt mit einer Betrachtung des Beitrags der oberitalienischen Städte zum iter Hierosolymitanum sowie der politischen und identitätsstiftenden Auswirkungen des ersten Kreuzzugs auf die städtischen Gemeinden, mit besonderem Blick auf die Herstellung einer vorübergehenden concordia unter den städtischen Schichten, mit der der Grundstein für institutionelle Neuentwicklungen gelegt wurde. Zweifelsohne ist es M. also gelungen, drei wichtige Forschungsbereiche der Mediävistik in einen neuen, fruchtbaren Dialog zu setzen, der uns die untersuchten Geschehnisse in einem neuen Licht sehen lässt.

Francesco Massetti

(Rezensiert von: Francesco Massetti)