Massimiliano Bassetti, Un codice e una lista. I codici di leggi e il loro uso in età carolingia. Note intorno al Kruftische Codex (Sankt Paul im Lavanttal, Stiftsbibliothek, 4/1) (Studi 24) Spoleto 2023, Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, X und 179 S., Abb., Tafeln, ISBN 978-88-6809-390-7, EUR 28. – Das handliche Buch hat seinen Ursprung in einem vom Vf. sowie Stefan Esders und Wolfgang Haubrichs bearbeiteten mehrjährigen Projekt (2017–2022), das sich intensiv mit der St. Pauler Hs. und insbesondere mit der auf fol. 184r zu findenden Namensliste beschäftigt hat. In einer eigenen Studie rückt der Vf. nun die paläographischen und kodikologischen Besonderheiten dieser wichtigen frühma. Rechtshs. in den Blick. Damit folgt er einem gerade in den letzten Jahren feststellbaren Trend, frühma. Rechtshs. vermehrt als Einzelobjekte zu würdigen und intensiver auf ihre Spezifika hin zu untersuchen. In einem ersten Schritt zeichnet der Vf. minutiös die Forschungsgeschichte zu diesem Codex nach (S. 3–28) und geht dabei auch auf Aspekte wie z. B. die Miniaturen auf fol. 1v–2r oder die von Bernhard Bischoff vorgenommene Assoziierung mit der Hs. Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, Barb. lat. 679, ein. Danach folgt die genaue Untersuchung der paläographischen und kodikologischen Merkmale des Codex, die mit der Beschreibung der „stratificazione“ (S. 28–31) beginnt. Wie die Abbildung auf S. 29 zeigt, besteht der Codex aus insgesamt vier Teilen, die sukzessive entstanden sind, wobei der Vf. insgesamt sechs Schreiber identifiziert. Die Abbildung weist leider einige Ungenauigkeiten auf, die man bei einer genaueren Durchsicht des Manuskripts hätte verhindern können. Die Lex Ribuaria wird beginnend mit fol. 6rb angegeben, dabei startet sie auf fol. 6vb. Die Klasse (B) wird beim ribuarischen Recht nicht genannt, obwohl sie bei den anderen Leges angegeben wird. Die „Epitoma Egidii legis Romana Visigothorum“ soll wohl eigentlich die Epitome Aegidii legis Romanae Visigothorum sein, die im Übrigen später (S. 115) als Breviarium Alarici bezeichnet wird (auf S. 97 findet sich dann eine korrekte Bezeichnung). Ein Kenner der Kapitularien wird über die „Capitula legi addenda“ von 818/19 stolpern, richtig wäre Capitula legibus addenda. Es ist zudem leicht irritierend, wenn diese Kapitel fol. 169va–180rb zugeordnet werden, die Schreiber C kopiert hat, da sich auf diesen Seiten auch noch die Capitula per se scribenda und das Capitulare missorum befinden (was auf S. 61f. auch korrekt dargelegt wird, dort übrigens auch richtig „Capitula legibus addenda“). Apropos Abbildungen: In der umfangreichen Appendix finden sich Tafeln (S. 101–123; vgl. dazu S. 28 Anm. 82), die die einzelnen Lagen der Hs. darstellen und u. a. auf Inhalt, Incipit und Explicit der jeweiligen Texte, Schreiber und optische Gestaltungsmerkmale eingehen. Diese Tafeln geben aufgrund ihrer schematischen Darstellungsweise einen guten Überblick über den Aufbau des Codex und sind daher sehr hilfreich. Allerdings sind auch sie nicht fehlerfrei, und es finden sich des Öfteren Transkriptionsfehler, wie man schnell durch eine stichprobenartige Überprüfung feststellen kann. Problematisch ist die recht kleine Schrift dieser Tafeln, die nur bedingt nutzerfreundlich ist. Der zweite Teil der Appendix (S. 125–156) beinhaltet insgesamt 91 Abbildungen aus verschiedenen Hss. in ordentlicher Qualität, allesamt in Schwarz-Weiß gehalten – einen Hinweis auf die online verfügbaren Farbdigitalisate der Hss. sucht man leider vergebens. Trotz dieser Versäumnisse bietet das Buch die allererste intensive paläographische Tiefenanalyse der St. Pauler Hs. Die Schriften der verschiedenen Schreiber werden eingehend analysiert und durch Vergleiche mit anderen Hss. kontextualisiert. Dabei kann der Vf. zeigen, dass der Codex St. Paul und der schon angesprochene Barb. Lat. 679 zusammen angelegt wurden und sich gegenseitig ergänzen, da sie zum einen weltliches und zum anderen kirchliches Recht tradieren. Schreiber A zeichnet für beide Hss. verantwortlich (S. 57–61). Die Nachträge zum umfangreichen Leges-Teil haben Schreiber kopiert, die sich dem Kloster Bobbio und dessen Schreibschule zuordnen lassen (S. 64–74). Das Schlusskapitel (S. 75–98) ist der Namensliste auf fol. 184r gewidmet, die wiederum ein anderer Schreiber (F) angefertigt hat. Auch diese Liste wird vom Vf. kontextualisiert, indem er zeitgenössische Vergleichsbeispiele anführt. Die Liste kann dem Zeitraum der 30er bis 50er Jahre des 9. Jh. zugeordnet werden. Eine Bibliographie (S. 157–179) beschließt den Band, der zwar nicht in allen Details überzeugt, aber dennoch wichtige neue Erkenntnisse liefert. Register gibt es keine.
D. T.
(Rezensiert von: Dominik Trump)