Stephan Bruhn, Reformer als Wertegemeinschaften. Zur diskursiven Formierung einer sozialen Gruppe im spätangelsächsischen England (ca. 850–1050) (Mittelalter-Forschungen 68) Ostfildern 2022, Jan Thorbecke, 607 S., ISBN 978-3-7995-4389-7, EUR 75. – Bei diesem sehr anspruchsvollen Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung der Diss. des Vf. Er hat sich darin der großen Herausforderung gestellt, aus repräsentativen biographischen bzw. hagiographischen Quellen des späten 9., des 10. und 11. Jh. nach den gemeinschaftsbildenden Wertvorstellungen von Eliten und damit nach dem Wesen der Reformer und in geringerem Grad ihrer Widersacher in angelsächsischer Zeit zu fragen. Zuerst geht es um die methodologische Grundlegung, als entscheidend für die „Kulturgeschichte des Sozialen“ erweist sich die Diskursanalyse. Dann stehen die ‘Alfredianischen Reformen’ im Mittelpunkt, wobei in Bezug auf Assers Alfredsvita die Werte- und Normendiskussion breiten Raum einnimmt und im Zusammenhang damit der Reformkreis um Alfred in den Blick kommt sowie die diesem zugrunde liegende Wertegemeinschaft. Darauf folgt die Auseinandersetzung mit den ‘Benediktinischen Reformen’, jener viel breiteren Bewegung, die die zweite Hälfte des 10. und die erste des 11. Jh. erfasste und begrifflich von der zweiten Generation der Reformer geprägt war. Sieben Viten werden näher untersucht und aus dem Diskurszusammenhang die Reformbezüge erarbeitet, sodann an Hand des bei der Beschäftigung mit der Alfredsvita entwickelten Werterasters die Werte- und Normendiskurse ausgelotet. Dabei zeichnet sich ab, dass das Wertespektrum der Reformer viel breiter und weniger einseitig war als bisher angenommen und gleicherweise den Ansätzen aus der Zeit Alfreds mehr Kontinuität beschieden war. Die beiden umfassenden Fallstudien werden beschlossen von „Perspektiven für die zukünftige Forschung“, wo die Ergebnisse der Untersuchung vertieft und für den weiteren Vergleich aufbereitet werden.
Anton Scharer
(Rezensiert von: Anton Scharer)