Anglo-Norman Studies 44: Proceedings of the Battle Conference 2021, ed. by Stephen D. Church, Woodbridge 2022, The Boydell Press, XII u. 168 S., farb. Abb., Karten, Diagramme, ISBN 978-1-78327-713-1, GBP 70. – Wie schon im Jahr zuvor fand auch die 44. Battle Conference online statt, was der Qualität der Beiträge jedoch keinen Abbruch tat. Um überhaupt die Tragweite der intellektuellen, religiösen und soziokulturellen Veränderungsprozesse begreifen zu können, die in der Region des ehemaligen Lotharingien ihren Anfang nahmen und auf die umliegenden Gebiete einwirkten, plädiert Lindy Grant (S. 1–17) für eine Betrachtung des gesamten „Grand Est“ über eine longue durée. Ausgehend von Hariulfs Schilderungen in seinem Chronicon Centulense nimmt Kathleen Thompson (S. 19–34) das sich seit dem 10. Jh. intensivierende Beziehungsgeflecht zwischen den Grafen von Ponthieu und ihren normannischen Nachbarn am Beispiel Guidos I. und seines Verhältnisses zu Wilhelm dem Eroberer in den Blick, das nicht frei von Spannungen war, wie die andeutungsreichen Stickereien des Teppichs von Bayeux nahelegen. Robert Liddiard (S. 35–53) macht sich für die Kartierung der Zentren, an denen in England im 11. und 12. Jh. Pferdezucht betrieben wurde, die Ortsnamenforschung sowie die Angaben im Domesday Book zu Nutze. Die Gewinnerin des diesjährigen Marjorie Chibnall Essay Prize, Amy Devenney (S. 55–69), stellt einem Corpus von sieben zwischen den Jahren 1080 und 1200 in Süditalien verfassten hagiographischen Berichten ebensolche aus England gegenüber und kommt zu dem Schluss, dass lediglich im normannischen Italien zwischen den Ursachen dämonischer Besessenheit und anatomisch bedingtem Wahnsinn unterschieden wurde, was sie auf einen fortschrittlicheren Wissensstand zurückführt, bedingt durch die Zirkulation medizinischer Traktate. Anaïs Waag (S. 71–104) präsentiert einen Teilaspekt ihrer vergleichenden Studie zu Regentinnen im MA und skizziert die politischen Karrieren von vier Frauen des 12. Jh. – Urraca von Kastilien-León, Melisende von Jerusalem, Mathilde von England und Petronella von Aragón – anhand einer Vielzahl von Quellen (Münzen, Urkunden, Verträge, Chroniken), wobei sie sich entschieden dagegen ausspricht, die Widrigkeiten, mit denen alle vier Frauen während ihrer Regentschaft zu kämpfen hatten, auf ihr Geschlecht und nicht vielmehr auf ihre Rolle als Herrscherinnen als solche zurückzuführen. Christoph T. Maier (S. 105–120) erweitert die herkömmliche Sicht auf das Massaker an den Juden von York im März 1190 als Folge einer zunehmend belasteten Beziehung zwischen jüdischen Geldleihern und ihren christlichen Schuldnern, indem er die Ereignisse mit den Predigten im Vorfeld des dritten Kreuzzugs in Verbindung bringt, die laut den Schilderungen in Williams von Newburgh Historia rerum Anglicarum und Radulfs de Diceto Ymagines Historiarum keinesfalls nur in York, sondern schon seit dem Vorjahr 1089 auch andernorts in England in besonderem Maß Gewalt an Juden begünstigt hatten. Auf die Schilderungen von William von Newburgh und Radulfus de Diceto sowie von Gervasius von Canterbury und Roger von Hoveden nimmt auch Alan Cooper (S. 121–136) bei der Beschäftigung mit William Fitz Osbert und dem von ihm 1196 angezettelten Aufstand Bezug. Er fragt nach Ursachen und Folgen der massiven Armut im London der 1190er Jahre, von deren Existenz nicht nur schriftliche Quellen, sondern auch archäologische Funde zeugen. Leonie V. Hicks / Michael D. J. Bintley (S. 137–151) arbeiten die Funktion von Landschaftsbeschreibungen und topographischen Spezifika heraus, wie sie in Geoffreys von Monmouth De gestis Britonum, Waces Roman du Brut und Layamons Brut im Kontext militärischer Auseinandersetzungen zu finden sind, deren Traditionslinien sich über die (anglo-)normannische Geschichtsschreibung des 11./12. Jh. bis in die Spätantike zurückverfolgen lassen. Rein deskriptiv zeichnet Heather J. Tanner (S. 153–168) die Heiratspolitik und weitere Maßnahmen des Hauses Plantagenet und der Herzöge der Normandie nach, die die anglo-normannischen und französischen Beziehungen stärken sollten.
A. N.
(Rezensiert von: Anna Claudia Nierhoff)