Hans Eberhard Mayer, Die Kreuzfahrerherrschaften Beirut und Blanchegarde (Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 50) Wiesbaden 2022, Harrassowitz, XLVI u. 255 S., Abb., ISBN 978-3-447-11813-2, EUR 58. – Wer glaubt, dass sich zur Kreuzzugsgeschichte nichts Neues mehr zu Tage fördern ließe, sieht sich durch diese Arbeit eines Besseren belehrt. Der kürzlich verstorbene Altmeister der deutschen Kreuzzugsforschung spürt in seiner letzten Monographie zwei bisher in der Forschung vernachlässigten Kreuzfahrerherrschaften nach. M. gelingt es dabei nicht nur, bestimmte Details der Kreuzzugsgeschichte zu korrigieren – etwa die Kreuzzugsteilnahme Graf Balduins I. von Guînes sowie seiner drei Söhne Robert (genannt Manasses), Guido und Hugo, welche der Forschung im Anschluss an eine Studie von Jonathan Riley-Smith allesamt als Kreuzfahrer gelten, tatsächlich aber wohl nie im Heiligen Land waren, wie M. plausibel macht –, sondern auch strukturelle Elemente der Kreuzfahrerherrschaften in ein neues Licht zu rücken: M. weist nach, dass Beirut zunächst gar keine Seigneurie war, sondern nach der Eroberung im Jahr 1110 als königliche Kastellanie eingerichtet wurde, weshalb Fulko von Guînes (1110–1117) in M.s Buch auch nicht als erster Seigneur von Beirut firmiert, sondern als Kastellan dieser Kreuzfahrerherrschaft. Erst unter der Familie Brisebarre, die Beirut nach Fulko beherrschte, sei die Herrschaft dann zur Seigneurie geworden. Außerdem zeigt M. anhand der Herrschaftsabfolge der Herren von Beirut, dass mitnichten „alle Seigneurswechsel ordnungsgemäß und störungsfrei vonstatten gegangen“ sind (S. 21). M. lässt nämlich zwei Brüder aus der Familie Brisebarre gleich zwei Amtszeiten bekleiden – und zwar in alterierender Abfolge: Nach Walter I. (1117/25–1132/33) habe das Amt des Seigneurs von Beirut dessen Bruder Guido der Ältere (1132/34–1143) bekleidet, dem wiederum Walter I. (1144–1145/46) gefolgt sei, um dann erneut von Guido dem Älteren (1145/1146–1156/1157) abgelöst zu werden. Das „Kopfschütteln“, welches dieses „Hin und Her“ bei nicht wenigen Historikern auslösen könnte, antizipiert M. wohl nicht zu Unrecht – kontert es aber überzeugend, indem er die Klarheit (und damit Idealtypik) der früheren Rekonstruktionen problematisiert. Dass Klarheit kein stichhaltiges Argument für die Rekonstruktion der Seigneursabfolge ist, zeigt M. an einem Parallelfall in der Seigneurie Tiberias, die in der Forschung auch als Fürstentum Galilaea firmiert, wo Wilhelm von Buris ebenfalls eine doppelte Amtszeit innegehabt habe (1119–1141/44 und 1153–1157/58). Auch wenn sich sicherlich hie und da Kritik an M.s Monographie anbringen ließe, will der Rez. dazu schweigen und stattdessen auf die enorme Bedeutung des von ihm so hochgeschätzten Forschers hinweisen, dessen Publikationen nicht zuletzt ihn für das spannende Feld der Kreuzzugsforschung begeistert haben.
Tim Weitzel
(Rezensiert von: Tim Weitzel)