Valérie Bessey / Sonja Dünnebeil / Werner Paravicini (Hg.), Die Hofordnungen der Herzöge von Burgund, Bd. 2: Die Hofordnungen Herzog Karls des Kühnen 1467–1477 (Kieler Werkstücke Reihe D 19) Berlin u. a. 2021, Peter Lang, 544 S., Abb., ISBN 978-3-631-82498-6, EUR 105,65. – Für den burgundischen Hofhistoriographen Georges Chastellain gab es keinen Zweifel: Gleich nach dem Sieg auf dem Schlachtfeld sei der wohlgeordnete und -geführte Haushalt für den Fürsten das beste Mittel, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Denn die Ordnung des Hofs schmücke den Herrscher, zeichne ihn aus und lasse ihn an Größe gewinnen. Das wusste auch Karl der Kühne, der keine Kosten scheute, als er seine mehrteilige Hofordnung von 1469 in eine Prunkhs. einkleiden und höchstwahrscheinlich auch an die benachbarten Höfe verschicken ließ. Die Hofordnung von 1469 ist denn auch das Prunkstück der hier edierten Hofordnungen Herzog Karls. Hier dominieren die allgemeinen Bestimmungen, die die Aufgaben der einzelnen Ämter behandeln und damit einhergehend die Prioritäten des Herzogs erkennen lassen. Sichtbar wird so etwa der große Wert, den Karl auf die alltäglichen Gottesdienstbesuche, die moralische Integrität der Kapläne oder den unbedingten Gehorsam der Amtsträger gegenüber den Vorstehern der einzelnen Kammern legte. Zugleich tritt der Hof in dieser Ordnung mit seinen ganz-, halb- oder vierteljährlichen Diensten in all seinen Verästelungen hervor. Ein schön und instruktiv von Thorsten Hiltmann (S. 8f.) gestaltetes Organigramm, das darauf aufbaut, gibt dem Leser gleich zu Beginn der Einleitung die notwendige Orientierung. Auch die als Arbeitsexemplar überlieferte umfangreiche Hofordnung von 1474 weist zum Ende hin eine Reihe allgemeiner Bestimmungen auf, die wertvolle Einblicke in den Rat, die Organisation der öffentlichen Audienz und die Folgen der Militarisierung des Hofs vermitteln. Zugleich aber entspricht diese Hofordnung weithin dem üblichen Muster burgundischer Hofordnungen und listet Ämter mit den Personen auf, die sie bekleideten. Um ihren Quellenwert zu erhöhen, haben die Hg. ein ähnlich strukturiertes, zur selben Zeit entstandenes Verzeichnis parallel ediert, das die Gagen festhält, die den Amtsträgern gezahlt wurden. Neben den Hofordnungen von 1469 und 1474, die allein 331 Seiten in Beschlag nehmen, werden die Hofordnung für Margarete von York von 1468, eine Ordonnanz von 1472, die die von 1469 ergänzte, die Gardeordonnanz von 1473 sowie eine Kurzbeschreibung des Hofstaats von 1472 und eine Liste der Privilegien der Ritter vom Goldenen Vlies zugänglich gemacht, alle nach den Richtlinien der Commission Royale d’Histoire an der Académie royale de Belgique ediert, mit ausführlichen Bemerkungen zu Überlieferung und Textherstellung und verbunden mit einem Personenindex sowie einem hilfreichen Glossar. Mit dem vorliegenden Band findet ein Langzeitprojekt seinen krönenden Abschluss. Vor 50 Jahren hat P. zum ersten Mal einer Veröffentlichung der burgundischen Hofordnungen das Wort geredet und 20 Jahre später deren Edition in Angriff genommen. Sie liegt nun vollständig in drei Bänden vor, die Hofordnungen der Jahre 1477 bis 1506 erschienen bereits vor vier Jahren in französischer Sprache online. Dass sich diese Hofordnungen bestens dazu eignen, die Geschichte der Personen am burgundischen Hof, den Hof selbst und nicht zuletzt die Herzöge zu erforschen, hat P. über ein halbes Jahrhundert hinweg in vielen verschiedenen Aufsätzen gezeigt, die zu einem Gutteil sein Ansehen begründet haben. Insofern gilt nicht nur für die Hofordnungen, sondern auch für deren Erforschung, dass man sich mit ihnen schmücken und auszeichnen kann, was in Zukunft mit der nun vorliegenden Edition um einiges einfacher geworden ist.
Hermann Kamp
(Rezensiert von: Hermann Kamp)