Quellen zur Wirtschaftsgeschichte der Abtei Reichenau aus der Zeit Johann Pfusers von Nordstetten als Großkeller (1450–1464) und Abt (1464–1491), bearb. von Harald Derschka (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A: Quellen 64) Ostfildern 2022, Jan Thorbecke Verlag, XL u. 373 S., Abb., ISBN 978-3-7995-9564-3, EUR 35. – Der Band bietet eine kommentierte Edition mehrerer Quellen zur Wirtschaftsgeschichte der Abtei Reichenau aus dem 15. Jh. Der Bearb. schließt an seine Edition von weiteren Quellenbeständen der Reichenau an, die in derselben Reihe veröffentlicht wurde (2018, vgl. DA 76, 275f.). Damit wurde eine sehr gute Quellenbasis für die Untersuchung der klösterlichen Wirtschaft geschaffen, die für das 15. Jh., eine Zeit des Umbruchs nicht nur im monastischen Bereich, besonders vielversprechend für weitere Forschung ist. So wundert es auch nicht, dass D., der die Quellen nicht nur ediert, sondern auch fundiert auswertet, zu einer Umdeutung der bisherigen Geschichte der Abtei kommt. Hauptergebnis der Auswertung ist, dass nicht wie bisher angenommen der Großkeller und spätere Abt Johann Pfuser von Nordstetten persönlich aufgrund von Misswirtschaft für den Niedergang der klösterlichen Ökonomie in der zweiten Hälfte des 15. Jh. verantwortlich gemacht werden kann, sondern vielmehr strukturelle Gründe diesen Verfall erklärbar machen. Im Gegenteil, Johann Pfuser tut sich eher als jemand hervor, der durch gezielten Einsatz von Schriftlichkeit darum bemüht war, die klösterliche Wirtschaft zu konsolidieren. Dass ihm das nicht gelang, liegt nach D. daran, dass er kein Wirtschaftsexperte und nicht in der Lage war, den strukturellen Problemen mit gezielten und vorausschauenden Maßnahmen entgegenzuwirken. Damit entlarvt D. die Bewertung der Entwicklung klösterlicher Ökonomie als Produkt einer Forschung, die klösterliche Geschichte als Geschichte der Äbte beschrieben hat. Das Ergebnis der Bemühungen, die klösterliche Verwaltung durch den Gebrauch von Schriftlichkeit zu professionalisieren, liegt mit dieser Edition nun vor. Johann Pfuser legte bereits als Großkeller ein Gedenkbuch an, das ebenso ediert wird wie ein fragmentarisch erhaltenes Gesamturbar, das Wollmatinger Urbar (ab 1467), das Kaltbrunner Urbar (um 1482–1490), das erneuerte Schleitheimer und Grimmelshofer Urbar (um 1488/90) und das Verzeichnis der Weinzehnten (ab 1466). Hinzu kommen mehrere Ordnungen, die Reichenauer Klosterökonomie betreffend (1476–1483 und 1511). Die Edition ist den gängigen Richtlinien verpflichtet, jedes Quellenstück wird umfangreich eingeleitet, kommentiert und mit einem Sachapparat versehen. Ein Personen-, Orts- und Sachregister erleichtert die Benutzung. Insgesamt liegt eine kundig erarbeitete kritische Edition der Reichenauer Wirtschaftsquellen vor, die nicht nur für die Landes- und Klostergeschichte auf neue Untersuchungsergebnisse hoffen lässt.
Julia Bruch
(Rezensiert von: Julia Bruch)