Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Erzbistum Mainz 1: Die Prämonstratenserstifte Ober- und Nieder-Ilbenstadt, bearb. von Jürgen Rainer Wolf (Germania Sacra, Dritte Folge 16, 1) Berlin / Boston 2018, De Gruyter Akademie, XX, VIII u. 1467 S. in 2 Bden., Karten, ISBN 978-3-11-059681-6, EUR 300. – Neben der Erforschung der Kollegiatstifte bildeten die Prämonstratenserstifte seit den 1990er Jahren einen Bearbeitungsschwerpunkt des Projekts Germania Sacra. Zwar hatten schon die ersten Bände über die Bistümer Brandenburg und Havelberg mit den dortigen Domstiften Institutionen der Prämonstratenser im Blick, doch wurde erst unter der Leitung von Irene Crusius das Ziel verfolgt, umfangreichere Bearbeitungen von Prämonstratenserstiften vorzulegen. Erschienen sind Bände über das Stift Marchtal im Bistum Konstanz (2012, vgl. DA 69, 827), über das Prämonstratenserstift Ober- und das Frauenstift Nieder-Ilbenstadt sowie Teilergebnisse über Personal und Besitz des Stifts Steinfeld im Erzbistum Köln (2018). Ilbenstadt in der Wetterau war eine der ersten Niederlassungen des Ordens im Reich, gegründet 1123, vermutlich sogar schon 1121 von Graf Gottfried von Cappenberg unter Zustimmung seines jüngeren Bruders Otto. Während dieser im Stammsitz der Familie im Prämonstratenserstift Cappenberg in Westfalen begraben liegt, wurde Gottfried in Ilbenstadt beigesetzt und als Heiliger verehrt (zur Verehrung S. 558–561). Der Eintritt ihrer Schwester Beatrix führte zur Gründung des Frauenstifts Nieder-Ilbenstadt, das sich nur wenige hundert Meter südöstlich des Prämonstratenserstifts Ober-Ilbenstadt befindet (heute Nonnenhof). Die Anwesenheit von Klosterfrauen ist seit 1149 gesichert (S. 165). Wann die räumliche Trennung erfolgte, ist allerdings unklar, wahrscheinlich Ende des 13. Jh. (S. 137). Beide Stifte haben bis zur Säkularisation 1803 bestanden und gingen dann in den Besitz der Fürsten von Leiningen über. Diese besaßen auch das Archiv des Männerstifts, das erst 1921 an den damaligen Volksstaat Hessen überging und sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt befindet, wohin auf verschlungenen Wegen auch das Archiv des Frauenstifts gelangt ist. Schon an dieser Stelle ist anzumerken, dass es für den Bearb. eine besondere Herausforderung gewesen sein dürfte, stets die Überlieferung und Geschichte des Männer- wie des Frauenstifts im Blick zu behalten. Konzeptionell geht er so vor, dass zunächst Ober-, dann Nieder-Ilbenstadt dargestellt wird. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die ma. und die wesentlich besser überlieferte frühneuzeitliche Geschichte beider Gemeinschaften darzustellen, was dem Bearb. unter intensiver Auswertung der Archivalien bestens gelungen ist. Dass sich die Geschichte Ober- und Nieder-Ilbenstadts angesichts des Editions- und Forschungsstands nur anhand ausgedehnter Archivrecherchen darstellen ließ, sei hervorgehoben. Die Darstellung folgt dem bewährten Schema der Germania Sacra-Bände. Zum Forschungsstand wird schon etliches im ausführlichen Vorwort gesagt. Die Ausführungen zu den Denkmälern sind aufgrund der erhaltenen romanischen Klosterkirche und -gebäude in Ober-Ilbenstadt von einer gewissen Ausführlichkeit (leider ohne Abbildungen). Auch die historische Übersicht, die in manchen Germania Sacra-Bänden eher stiefmütterlich behandelt wird, ist recht breit angelegt. Viel Raum beanspruchen dann die Abschnitte über Verfassung und Verwaltung sowie über religiöses und geistiges Leben, hier übrigens mit gebührender Aufmerksamkeit für die Seelsorge in den Pfarreien (S. 600 und S. 710–719 eingehend zu den inkorporierten Kirchen). Der zweite Teilband umfasst, wieder unterteilt nach Chorherren- und Chorfrauenstift, die Abschnitte über den Besitz (dazu die Karten am Ende dieses Bandes) sowie S. 801–1285 die Personallisten, die vor allem bei den Viten der Chorherren in der frühen Neuzeit einen beachtlichen Umfang haben. Der reiche Inhalt des Bandes, der größtenteils auf Archivforschung beruht, wird durch ein umfangreiches Register erschlossen. Dem Bearb. ist dafür zu danken, dass er Ilbenstadt auch nach dem Wechsel vom hessischen in den sächsischen Archivdienst nicht aus den Augen verloren hat und die Bearbeitung im Ruhestand realisieren konnte. Dass erst hundert Jahre nach dem Beginn des Vorhabens Germania Sacra der erste Band zum Erzbistum Mainz erscheint, stimmt nachdenklich. Die Bearbeitung einzelner Klöster und Stifte wurde 2019 beendet. Künftig werden im Rahmen des Vorhabens, das nun bei der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen angesiedelt ist, nur noch Bände über Bischöfe und über Domkapitel bearbeitet.
Enno Bünz
(Rezensiert von: Enno Bünz)