Sabrina Stockhusen, Hinrik Dunkelgud und sein Rechnungsbuch (1479 bis 1517). Lebensformen eines Lübecker Krämers an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert (VSWG Beiheft 245) Stuttgart 2019, Franz Steiner Verlag, 470 S., Abb., ISBN 978-3-515-11697-8, EUR 72. – Im Mittelpunkt dieser Kieler Diss., die von Gerhard Fouquet betreut wurde, steht das Rechnungsbuch des Lübecker Krämers Hinrich Dunkelgut, das dieser zwischen 1479 und 1517 geführt hat und das in der Stadtbibliothek Lübeck (Ms. Lub. 2o 732) überliefert ist. Mittlerweile ist dieses „Memorial- oder Geheimbuch“, das durch kriegsbedingte Auslagerung der Forschung lange Zeit nicht zugänglich war, auch digital einsehbar. Aus den Aufzeichnungen des Krämers ist bekannt, dass er seine Geschäftsbücher mit Großbuchstaben versah; das erhaltene und hier ausgewertete ist mit „F“ bezeichnet, was auf erhebliche Überlieferungsverluste schließen lässt. Das gilt aber generell für das Geschäftsschriftgut von Kaufleuten und Krämern des späten MA nicht nur in Lübeck, wie schon ein Blick in die Editionsreihe „Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit“ verdeutlicht. Handelsakten von Detailhändlern wie diesem Lübecker Krämer, der sich allerdings auch als Fernhändler im Hanseraum betätigte, sind ausgesprochen selten. Dunkelguts Aufzeichnungen sind deshalb von der Forschung schon seit dem 19. Jh. wiederholt herangezogen worden, jüngst beispielsweise von Heinrich Dormeier im Rahmen seiner Forschungen über Lübecker Pilger (Dunkelgut unternahm 1479 eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela) und über das Birgittenkloster Marienwohlde (das u.a. von Dunkelgut gefördert wurde). St. bietet nun eine vollständige Edition des Geschäftsbuchs F, einer Papierhs. im Umfang von 234 Blatt (S. 241–350), und wertet diese Hs. systematisch aus, wofür sie natürlich auch die Überlieferung der Krämerkompanie, der Dunkelgut angehörte, und andere Lübecker Archivalien heranzieht. Hinrik Dunkelgut stammte aus dem Lübecker Umland und siedelte nach der Heirat mit Kunneke, der Tochter des Lübecker Krämers Hans Meyer, 1479 in die Hansestadt über. Die Untersuchung ist nicht nur aufgrund der Geschäftsbuchüberlieferung, die ausgewertet wird, von Interesse, sondern durch den breiteren Ansatz, die Lebensform eines Lübecker Geschäftsmanns zu rekonstruieren, der im Mittelfeld der Stadtgesellschaft zu verorten ist. Dunkelgut war kein Kleinkrämer, aber er gehörte auch nicht zur schmalen wirtschaftlichen Führungsschicht der Stadt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Geschäfts- bzw. Rechnungsbuch F, das in Kap. 2 näher vorgestellt wird. Es dokumentiert zwar nur einen Ausschnitt der Geschäftstätigkeit Dunkelguts, eröffnet aber durch die Vermischung unternehmerischer und privater Aufzeichnungen Zugänge nicht nur zur Kaufmannstätigkeit, sondern auch zu Familie und Lebensumfeld. Vgl. dazu die instruktive Aufschlüsselung des Aufbaus und der Betreffe im Anhang S. 396–400. In Kap. 3 wird Dunkelguts „Haus“ und Haushaltsführung, in Kap. 4 die persönliche Rechtssicherung durch stadtbürgerliche Schriftlichkeit (Dunkelgut hat seinen letzten Willen mehrfach formuliert, so dass die verschiedenen Testamente eine aufschlussreiche Quelle für sein städtisches Beziehungsnetz sind) besprochen, während Kap. 5 Dunkelgut als Mitglied der Krämerkompanie behandelt, der er mehrfach als Ältermann vorstand. Besondere Aufmerksamkeit findet dann mit dem breit angelegten Kap. 6 die kaufmännische Handelspraxis, die auf verschiedenen Ebenen analysiert wird: Buchführung, Kenntnis der Platzgebräuche frequentierter Handelsorte, Handelswaren, Geschäftsbeziehungen, dann die vergleichende Einordnung in den Lübecker Handel. Schließlich werden auch Frömmigkeitsformen und Stiftungen betrachtet. Vgl. dazu jetzt auch die Artikel von Heinrich Dormeier in dem Ausstellungskatalog „Pilgerspuren. Wege in den Himmel von Lüneburg an das Ende der Welt“ (2020) S. 132–134. Wie der umfangreiche Anhang von fast 100 Druckseiten zeigt, hat die Vf. Dunkelguts Rechnungsbuch umfassend für die systematische Auswertung aufbereitet, wie etwa die Warentabellen, Zusammenstellungen von Renten, Ausgabeposten (Hochzeitsausstattung), Buchungen mit Handelspartnern u.a.m. zeigen. Register der Personen, Orte und Sachen erschließen den reichen Inhalt dieser Untersuchung und Edition. Die gehaltvolle und weiterführende Arbeit ist vergleichbar mit der Kieler Diss. von Matthias Steinbrink über das Rechnungsbuch des Basler Kaufmanns Ulrich Meltinger (vgl. DA 65, 220f.), das ebenfalls in die Zeit um 1500 gehört.
Enno Bünz
(Rezensiert von: Enno Bünz)