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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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František Šmahel, Europas Mitte in Bewegung. Das Königreich Böhmen im ausgehenden Mittelalter (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 143) Göttingen 2021, Vandenhoeck & Ruprecht, 596 S., Abb., ISBN 978-3-525-31732-7, EUR 80. – Der Band versammelt 25 Aufsätze des renommierten tschechischen Mediävisten, die zwischen 1984 und 2017 in unterschiedlichen Zeitschriften und Sammelbänden publiziert wurden. Feinsinnig charakterisiert Hg. Thomas Krzenck diese qualitativ wie quantitativ hervorragende Zusammenstellung als „Geschenk“, das Š. seinem deutschsprachigen Publikum im Nachgang zu seinem 85. Geburtstag im Jahr 2019 bereitet habe. Š.s Beiträge entfalten ein beeindruckendes Spektrum der konfliktreichen Geschichte Böhmens, das im Spät-MA personell wie strukturell mannigfach mit den Nachbarregionen verwoben war: Neben Abhandlungen zu sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen finden sich einschlägige Darstellungen zur religiösen Dynamik und den Konflikten zwischen Hussiten und Katholiken ebenso wie Detailstudien zu Johannes Hus und seiner Reformtheologie oder aber zu materiellen, rituellen und rezeptionsgeschichtlichen Fragestellungen. Die Beiträge, in deren Mittelpunkt die Geschichte des Königreichs Böhmen im 14. und 15. Jh. steht, wurden für die am Münchener Collegium Carolinum besorgte Ausgabe fünf Themenblöcken zugeordnet. Diese sind freilich nicht strikt voneinander zu trennen, sondern komplementär zu verstehen: „Panorama-Ansichten“ (I); „Die Luxemburger, Böhmen und Deutsche“ (II); „Die städtische Gesellschaft, Prag und Tábor“ (III); „Zweierlei Volk, zweierlei Glauben und die Kultur?“ (IV); „Visuelle Agitation, Massenmedien und Propaganda“ (V). Ein knappes Vorwort des Vf. sowie eine eingehende bio-bibliographische Würdigung Š.s durch den Hg. (František Šmahel – Mediävist, Zeitzeuge, Mensch, S. 567–574) beschließen den Band. Er verortet, wie der Hg. abschließend treffend resümiert, die dynamischen Entwicklungen Böhmens im Spannungsfeld von „Konfliktherd“ und „Innovationszentrum“ (S. 573), präsentiert grundlegende Forschungsfragen sowie -debatten und korrigiert etablierte Stereotype. Dank der gelungenen Zusammenstellung, Anordnung sowie – vereinzelt – behutsamen bibliographischen Aktualisierung der Beiträge ist ein facettenreiches Panorama der böhmischen Geschichte entstanden, das Kenner ebenso ansprechen und faszinieren dürfte wie Leser, die sich bislang noch nicht eingehender mit Böhmen im Spät-MA befasst haben.

Julia Burkhardt

(Rezensiert von: Julia Burkhardt)