Paweł Kras, The System of the Inquisition in Medieval Europe, translated from Polish by Magdalena Panz-Sochacka (Geschichte – Erinnerung – Politik 36) Berlin u. a. 2020, Peter Lang, 518 S., ISBN 978-3-631-81526-7, EUR 60. – Der Vf. ist ein ausgewiesener Kenner des Hussitentums und der Inquisitionsverfahren im ma. Polen. Das Buch ist die englische Übersetzung einer 2006 in polnischer Sprache erschienenen Darstellung und repräsentiert, da nach eigenen Angaben nur kleinere textliche Änderungen und bibliographische Ergänzungen vorgenommen wurden, weitgehend den Forschungsstand dieser Zeit, der sich inzwischen teilweise nicht unwesentlich weiterentwickelt hat. Als „System der Inquisition“ im europäischen MA beschreibt der Vf. das kirchliche Vorgehen gegen religiöse Devianz seit dem Beginn des 13. Jh., als auf päpstliche Initiative hin der Versuch, die religiösen Abweichler vor allem zu überzeugen und zum rechten Glauben zurückzuführen, durch die Einsetzung von Inquisitoren ersetzt wurde, deren systematisches Vorgehen zwar auch auf Überzeugung, aber gleichzeitig auch auf physischem Zwang basierte. Es handelt sich also weitgehend um eine Darstellung des kirchlichen Inquisitionsverfahrens. Dessen Ausbildung wird im zweiten Kapitel beschrieben, nachdem im ersten Abschnitt eine Geschichte des Umgangs mit Häresie und Häretikern von der Spätantike bis ins frühe 13. Jh. erzählt wurde. Man sollte hier besser nicht von „Geburt“ des Inquisitionssystems sprechen. Das hat Henri Maisonneuve 1960 getan, der sogar mit dem Jahr 1231 ein konkretes Geburtsdatum vor Augen hatte. Da man heute stärker die Prozesshaftigkeit bei der Entstehung der Inquisition betont, ist das Bild eher unpassend. Kapitel 3 ist dem eigentlichen Vorgang der inquisitio gewidmet, wie dieser aus den normativen Quellen rekonstruiert werden kann. Das 4. Kapitel trägt der Tatsache Rechnung, dass die Forschung seit den neunziger Jahren des 20. Jh. verstärkt die schriftliche Überlieferung selbst zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht hat, indem die Sprache und Begrifflichkeit der Quellen, ihr Zustandekommen sowie ihr Charakter als Teil einer im 13. Jh. rasant zunehmenden pragmatischen Schriftlichkeit untersucht wurden. Die beiden letzten Kapitel sind dem Abschluss des Verfahrens gewidmet und betonen mit Buße und Reintegration auf der einen sowie mit der Todesstrafe nach weltlichem Recht auf der anderen Seite die beiden Ansätze des „Systems der Inquisition“. Das Buch ist insgesamt eine kenntnisreiche, in der Anlage eher konventionelle Darstellung der Geschichte der ma. Inquisition, die vor allem als Einführung geeignet ist. Wie der Großteil der Arbeiten zur Inquisition insgesamt ist sie stark auf Südfrankreich fokussiert. Für das Verständnis der Vielfalt der Erscheinungsformen ma. Inquisition ist das eher nicht hilfreich. Die Sichtung und Aufbereitung der Quellen und Literatur für diese erste Gesamtdarstellung des Themas seit langer Zeit stellt aber auch mit dieser Einschränkung eine höchst respektable Leistung dar.
Thomas Scharff
(Rezensiert von: Thomas Scharff)