Rahel Meier, Mio corpo venga sepolto in terra sancta. Genese und Verbreitung eines Wunderberichts des 13. Jahrhunderts. Der Blutacker in Jerusalem, der heilige Acker in Akkon und der Camposanto zu Pisa (Scrinium Friburgense 56) Wiesbaden 2022, Reichert Verlag, 255 S., 52 Abb., ISBN 978-3-7520-0617-9, EUR 80. – Das Buch, das auf eine Fribourger Diss. von 2020 zurückgeht, bewegt sich zwischen drei Disziplinen: Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte. Ziel ist zu klären, warum einige wenige spätma. (Akkon, Pisa, Rom, eventuell Venedig) und mehrere frühneuzeitliche Friedhöfe als campus sanctus bezeichnet wurden und was dieser Name für die Zeitgenossen bedeutete. Die Quellen für den Pisaner Camposanto mit seinem bekannten Freskenschmuck stellen die Verbindung zu einem Grabplatz in Jerusalem her, der in der Kreuzfahrerzeit als ‘Blutacker’ bezeichnet wurde. Über diese Jerusalemer Grabstätte, in der die Fremden – und das hieß unter muslimischer Herrschaft: christliche Pilger – in ziemlich rüder Manier bestattet wurden, erzählte man nachweislich im 14., aber wahrscheinlich schon seit dem 13. Jh., ihr Boden habe die Eigenschaft, dort hineingeworfene Leichen binnen dreier Tage zu zersetzen. Zugleich wurde der Ort mit jenem Grundstück gleichgesetzt, das nach Matth. 27 die Hohenpriester von den 30 Silberlingen, die Judas ihnen zurückgegeben hatte, einem Töpfer abkauften, um einen Begräbnisplatz für Fremde zu schaffen: daher der Name Blutacker (Akeldama) für das mit dem Blutgeld Christi erworbene Land. Erde von dieser Stelle kam im MA, so glaubte man jedenfalls, nach Pisa und an wenige andere Orte und ermöglichte so deren Bezeichnung als campus sanctus. Das sind die wesentlichen Elemente eines Komplexes von Erzählungen, archäologischen Befunden und Bilddarstellungen, durch den die Vf. ihre Leser führt. Der erste Teil des Buchs – zu Jerusalem – bringt die Forschung zur historischen Topographie der Stadt insofern voran, als M. wahrscheinlich machen kann, dass der biblische Akeldama zunächst an verschiedenen Stellen lokalisiert und erst zu Beginn des 13. Jh. mit einer zum Massengrab umgebauten antiken Zisterne südlich vom Zionsberg (am Berg Abu Tor) identifiziert wurde. Das Aufkommen der Erzählung von der schnellen Verwesung (eine Art ‘negatives’ Wunder) erkläre sich daraus, dass die Christen sich über die pietätlose Entsorgung der Leichen in der Ex-Zisterne (heute als Ruine erhalten) trösten wollten. Der zweite Teil rekonstruiert die beiden ersten campi sancti außerhalb von Jerusalem: zunächst in Akkon, was bisher wenig bekannt war, und dann in Pisa, wo die Bezeichnung für den neuen Friedhof beim Dom und Schiefen Turm seit 1278 bezeugt ist. Das Pisa-Kapitel endet mit einer Neuinterpretation der Fresken (1336–1341) des Buonamico Buffalmacco, in denen M. – anders als die bisherige kunsthistorische Forschung – eine frühe Darstellung des Purgatorium erkennt. Wie diese Deutung der Fresken von der Kunsthistorie rezipiert werden wird, sei dahingestellt. Ob es dafür notwendig war, den Streit um die visio beatifica bei Papst Johannes XXII. und die klärende Bulle Benedikts XII. (1336) erneut darzulegen, scheint fraglich. Dies stehe hier als Beispiel für ein generelles Problem: Das Buch macht es trotz aller scharfsinnigen Beobachtungen seinen Lesern nicht leicht, allen Verästelungen der Argumentation wohlwollend zu folgen. Eine Reihe von Exkursen, nicht wenige übereifrige, teils ganz überflüssige Wiederholungen (Zitate S. 126f.; Anm. 375 = Anm. 392; Anm. 595 ist in sich verdoppelt), zahlreiche Ankündigungen dann sowieso folgender Untersuchungsschritte und ein nicht immer leicht durchschaubares, Zirkelschlüsse riskierendes Hin und Her im Dickicht der Erzählungen zwischen schriftlicher und (vermuteter) mündlicher Überlieferung nagen am Lesevergnügen. Um dieses zu erhöhen, wäre zudem ein sorgfältigeres Lektorat notwendig gewesen, weniger wegen der Druckfehler (die sich noch im Rahmen halten) als wegen missglückter Formulierungen. Im Literaturverzeichnis vermisst man Michele Campopiano (zur franziskanischen Custodia di Terrasanta) und Romedio Schmitz-Esser (zur Kontextualisierung der für die Argumentation zentralen Bestattungsbräuche, vgl. DA 72, 437–439). Das eigentlich interessante Buch hätte einen besseren Schliff verdient.
Thomas Frank
(Rezensiert von: Thomas Frank)