Die Stadt und die Anderen. Fremdheit in Selbstzeugnissen und Chroniken des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Andreas Rutz (Städteforschung. Reihe A, Darstellungen 101) Wien / Köln / Weimar 2021, Böhlau Verlag, 317 S., Abb., ISBN 978-3-412-52105-9, EUR 45. – Der Band beruht auf einer Tagung, die 2018 des 500. Geburtstags von Hermann Weinsberg gedachte, jenes zu Recht viel beachteten Kronzeugen der Kölner wie der überlokalen Stadtgeschichte des 16. Jh. Es war sinn- und verdienstvoll, dass dies nicht allein entlang von Stationen seines Lebens geschah, sondern in einem breiteren inhaltlichen Rahmen, der um die Frage der Perzeption des ‘Anderen’ in Selbstzeugnissen und Chroniken arrangiert wurde. Eröffnet wird der Reigen der Beiträge durch eine eingehende Einleitung des Hg. (S. 13–28), in die auch Beobachtungen aus dem Schlusskommentar der Tagung (von Susanne Rau) eingegangen sind. Darin werden die verschiedenen Facetten von Fremdheit bzw. deren Wahrnehmung in vormodernen Städten, den Kristallisationspunkten von Mobilität und Diversität in jener Zeit schlechthin, genauso durchdekliniert wie die geschichtswissenschaftlichen Deutungsangebote und eine kleine Quellenkunde. Dem gegenübergestellt ist ein Überblick von Michaela Fenske (S. 29–42) zu „Relationalität und Relativität des Fremden“ aus ethnologischer Perspektive, der mit einem Fokus auf praxeologischen Analysemöglichkeiten aufzeigt, wie Fremde und Fremdsein behandelt und verhandelt wurden, ja wie geübt und auf Ausgleich bedacht vormoderne Stadtgesellschaften darin sein konnten. Die übrigen 11 Beiträge bespielen das Tagungsthema ebenfalls aus interdisziplinären wie interregionalen bis internationalen Perspektiven. Sie sind in folgende Sektionen strukturiert: „Körper und Geschlecht“, hier betrachtet als körperliche Differenz sowie Männlichkeitsentwürfe und soziale Ungleichheit; „Hermann Weinsberg und die Anderen“ mit Beiträgen zur Identitätsbildung bzw. Alteritätserfahrung zwischen Handlung und Sprache; „Das Eigene und das Fremde“ in verschiedenen sozialen Lagen von Sklavinnen in Florenz, Nürnberger Studierenden in Italien sowie der welfischen Residenzstadt Hannover im 18. Jh.; schließlich „Literarische Konstruktionen von Fremdheit“ über das frühneuzeitliche London. Mag das inhaltliche Tableau des Bandes auf den ersten Blick wie ein überbunter Strauß wirken, so eröffnet er eben dadurch vielfältige Perspektiven auf das Leitthema und Anregungen für weitere Betrachtungen und Erforschungen – und bildet damit eben auch die bereits benannte Diversität des vormodernen Stadtkörpers ab, in dem auch Hermann Weinsberg sich bewegte. So ist der Band der Gemeinde der Stadtgeschichtsforschung willkommen und von erheblichem Ertrag.
Gabriel Zeilinger
(Rezensiert von: Gabriel Zeilinger)