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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Ireland and the Crusades, ed. by Edward Coleman / Paul Duffy / Tadhg O’Keeffe, Dublin – Chicago 2022, Four Courts Press, 236 S., Abb., ISBN 978-1-84682-861-4, EUR 50. – In jüngerer Zeit waren sowohl die Beteiligung Irlands an den Kreuzzügen als auch die dortigen Niederlassungen der geistlichen Ritterorden und die Frage, wieweit die mit König Heinrich II. Plantagenet († 1189) einsetzende Eroberung Irlands selbst ein Teil der hochma. Expansion des lateinischen Europa war, wiederholt Gegenstand wissenschaftlicher Studien (vgl. DA 71, 422; DA 73, 456; DA 76, 926f.). Die 14 Beiträge führen dies weiter, umrahmt von einem Vorwort (S. 15–18, ohne Vf.), einem Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 200–223) und einem Index (S. 224–236). Edward Coleman (S. 19–37) bietet einen informativen Überblick zur Forschungslage. Jean-Michel Picard (S. 38–51) spürt dem Einfluss des Bernhard von Clairvaux und der Zisterzienser auf die Kreuzzugspropaganda in Irland nach, vom heiligen Malachias († 1148 in Clairvaux) und Christian O’Conairche unter Eugen III. bis zu Thomas von Mellifont unter Innocenz III. Vor dem Hintergrund aktueller Debatten über Rassismus und Kolonialismus untersucht Maeve Callan (S. 52–69) die Rolle der Päpste bei der Rechtfertigung der englischen Unterwerfung Irlands: Wie Anne Duggan endgültig gezeigt habe, sei Hadrians IV. (1154–1159) Schreiben Laudabiliter (JL 10056) eine Fälschung des Chronisten und Kreuzzugspredigers Gerald von Wales († 1223). Alexander III. und andere Päpste hätten die Eroberung aus politischen Gründen unterstützt. Häresievorwürfe aber gebe es erst unter Johannes XXII. (1316–1334), nach dem Templerprozess, und zwar sowohl vonseiten der Engländer gegen den irischen Widerstand als auch umgekehrt. Catherine Swift (S. 70–76) hält rund 50 palmerii in der Dublin Guild Merchant Roll vom Anfang des 13. Jh. für Jerusalempilger aus der Schicht der Kaufleute; wie die Santiago-Muscheln seien auch die Jericho-Palmen (vgl. Deut. 34, 3, Iudic. 3, 13) ein Pilgerzeichen gewesen. Paul Duffy (S. 77–90) meint, Hugh de Lacy († 1242), Earl von Ulster, der gegen die Albigenser gekämpft hatte, seine Familie und sein Umfeld hätten eine Heiligenverehrung für den 1218 bei der Belagerung von Toulouse gefallenen Simon von Montfort angestrebt, und das sogar noch nach 1265, als Simons gleichnamiger Sohn bei Evesham gegen König Heinrich III. gefallen war. Ciarán McDonnell (S. 91–106) stellt Geoffrey de Geneville († 1314 in Trim, Grafschaft Meath) vor, der am englischen Hof und in Irland eine ähnliche Rolle spielte wie sein Bruder Jean de Joinville († 1317) bei Ludwig IX. von Frankreich und den Kapetingern. Gewohnt meisterlich überblickt Helen J. Nicholson (S. 107–120) knapp, aber präzise die Geschichte der Templer und der Johanniter in Irland, einschließlich derjenigen des Ordens vom heiligen Thomas zu Akkon, der gewissermaßen ein englisches Gegenstück zum Deutschen Orden darstellte. S. 115 müsste das Zitat wohl lauten: ad repulsionem Hibernicorum hostium nostrorum guerram super fidelem populum nostrum in dies machinantum (oder machinantium) statt machmantum. Paolo Virtuani (S. 121–128), Vf. einer Diss. über die Johanniter in Irland (2014), arbeitet die Beteiligung dieses Ordens an bewaffneter Friedenswahrung in und um Irland heraus, d. h. an Kämpfen nicht, wie von den eigenen Idealen gefordert, gegen Sarazenen, sondern gegen „schlechte“ Christen. Thomas Ivory (S. 129–135) geht auf Spitäler in Irland ein, die nicht nur von den Johannitern betrieben wurden, sondern auch von fratres cruciferi, einer eigenen Religiosengemeinschaft, die von den Johannitern beeinflusst war; vgl. J. Michael Hayden, Crutched Friars and Croisiers: The Canons Regular of the Order of the Holy Cross in England and France (2013). David McIlreavy (S. 136–153) behandelt die mutmaßliche Templerniederlassung in Ballyman, südlich vor der Stadt Dublin. Nach Dave Swift (S. 154–163) haben Darstellungen sitzender Männer mit gekreuzten Beinen entgegen einer verbreiteten Meinung nichts mit Kreuzfahrern zu tun. Kathryn Hurlock (S. 164–177) verfolgt Kreuzzugsrhetorik in anglo-irischen Konflikten vom Spät-MA bis ins 16. Jh. Emer Purcell (S. 178–182) stellt einen mumifizierten Leichnam mit gekreuzten Beinen aus der Krypta von St. Michan in Dublin vor, der bis heute, aber kaum zu Recht, gerne für einen Kreuzfahrer gehalten wird. In seinem Nachwort (S. 183–199) fordert Tadgh O’Keeffe archäologische Untersuchungen zu den geistlichen Ritterorden in Irland, sehr berechtigt angesichts der wenigen erhaltenen Schriftquellen, und erörtert das nordamerikanische Frontier-Konzept hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf Irland. Insgesamt ist hier eine überzeugende Publikation gelungen, die zu vielen Fragen von allgemeiner Bedeutung interessante Aspekte beisteuert.

K. B.

(Rezensiert von: Karl Borchardt)