Loïc Cazaux, Les capitaines dans le royaume de France. Guerre, pouvoir et justice au bas Moyen Âge (Histoire et archives 21) Paris 2022, Honoré Champion, 1014 S. in 2 Bden., ISBN 978-2-7453-5648-2, EUR 95. – Der nüchterne Titel des Werks scheint ein übersichtliches Thema zu versprechen, aber schon der Untertitel verweist auf weite Zusammenhänge. Tatsächlich beschäftigt sich diese gründliche, detaillierte und sehr materialreiche Untersuchung umfassend mit jenen Männern, die von der ersten Hälfte des 14. bis zum Ende des 15. Jh. die Truppen des Königs von Frankreich führten. Die meisten von ihnen stammten aus dem niederen Adel. Gemeinsam war ihnen die Bezeichnung als capitaine (Hauptmann), doch bezog sie sich auf unterschiedliche Posten. Einige königliche Hauptleute kommandierten eine Kompanie schwerer Reiter, andere eine Kompanie routiers, die man als irreguläre Truppen bezeichnen könnte. Manche hatten den Befehl über eine befestigte Stadt oder eine Festung, wieder andere waren gar Generalkapitän des Königs. Außerdem gab es noch Hauptleute, die im Dienst von Fürsten oder Adligen standen; sie spielen allerdings in dieser Untersuchung kaum eine Rolle. C. bietet zunächst einen Überblick über die zahlreichen Quellen, die über die Hauptleute Auskunft geben. Das ist mit Blick auf das Vorhaben ganz pragmatisch und außerdem sehr lehrreich. Denn es zeigt sich, dass die Hauptleute nicht einfach Krieg führten, wie sie es für richtig hielten. Vielmehr wurde seit der Herrschaft Philipps VI. (1328–1350) der Aufbau der Armee durch eine Vielzahl rechtlicher Regelungen begleitet, die nicht nur für den Dienstgebrauch bestimmt waren, sondern publiziert wurden und daher allgemein bekannt waren. Diese Praxis sorgte dafür, dass diese Truppe ein Instrument des Königtums blieb. Auch die Hauptleute konnten von solchen Anordnungen unmittelbar betroffen sein, und sie wurden gegebenenfalls vor Gericht gestellt. Zuständig war vor allem das Parlement de Paris. Außerdem brachten die vielfältigen Aufgaben dieser Männer sie zwangsläufig in Kontakt mit anderen Institutionen, insbesondere der Militärjustiz. Aufgrund von Archivverlusten lassen sich diese Aspekte vor allem anhand der Bestände des Pariser Parlements nachvollziehen. Hinzu kommen viele weitere Quellen, z. B. über die Konflikte von Stadtkommandanten mit den städtischen Räten. Dann zeichnet der Vf. die Entwicklung des Amts nach. Anfang des 14. Jh. kannte man zwar die Stellung eines Hauptmanns, aber die Pflichten und Rechte waren nicht institutionell festgeschrieben. Das änderte sich in den nächsten Jahrzehnten, vor allem durch eine ordonnance König Philipps V., in der 1317 die Stellung der Hauptleute in den bonnes villes festgeschrieben wurde, also jenen Städten, die dem König unterstanden. Während des Hundertjährigen Kriegs wurde das System verständlicherweise ausgeweitet, insbesondere auf jene Hauptleute, die nicht Städte oder Festungen, sondern Truppenteile befehligten. C. bleibt aber nicht bei den formalen Strukturen stehen, sondern untersucht auch die sozialen Beziehungen zwischen Königtum und Hauptleuten. Anklagen vor dem Parlement kommen durchaus vor, ebenso aber Gnadenakte des Königs, die eine enge Verbundenheit in Szene setzten. Bei einer so gehaltvollen Untersuchung auf 692 Seiten bleibt in einer Rezension zwangsläufig vieles ungesagt. Verwiesen sei aber noch darauf, dass C. nicht nur auf 70 Seiten die hsl. und gedruckten Quellen sowie die Literatur aufführt, sondern seinem Werk noch mehr als 200 Seiten Editionsanhänge beigibt, die zugleich als Belege wie als Grundlage für weitere Forschungen dienen können.
Malte Prietzel
(Rezensiert von: Malte Prietzel)