Urkundenbuch des Klosters Loccum, bearb. von Ursula-Barbara Dittrich. Bd. 1: 1173–1397, Bd. 2: 1400–1591 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 292) Göttingen 2019, Wallstein Verlag, 1536 S. in 2 Teilbden., ISBN 978-3-8353-3144-0, EUR 79. – Das Kloster Loccum wurde um 1163 von Graf Wilbrand von Hallermund nordwestlich von Hannover unweit der Weser gegründet. Wenig später wurde es in den Zisterzienserorden aufgenommen; im 13. Jh. gewann es durch Stiftungen erheblich an Grundbesitz und Wirtschaftskraft. Ab dem zweiten Drittel des 14. Jh. verhinderten die allgemein krisenhaften Umstände zwar einen weiteren Ausbau, konnten das Kloster in seiner ökonomischen und politischen Bedeutung jedoch nicht stärker schädigen. 1530 erlangte es Reichsunmittelbarkeit und konnte, nachdem es 1585 an das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel gefallen war, als evangelische Institution fortbestehen. Seit 1945 ist Loccum ein Begriff als evangelische Bildungsstätte. Die romanische Klosterkirche und historische Gebäude sind erhalten. Im Rahmen der stetig wachsenden Editionsreihe der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen sind nun die Urkunden des Loccumer Klosters erschienen. Ein erstes Urkundenbuch wurde bereits 1858 von Wilhelm von Hodenberg vorgelegt. Es umfasst in 1014 Nummern eine Mischung aus Regesten und Volltexten bis ins Jahr 1763. Die Neubearbeitung durch D. endet mit der Reformation im Kloster im Jahr 1591, gibt bis dahin jedoch schon deutlich mehr Stücke wieder, nämlich 1629, fast vollständig im Volltext. Hier liegen sowohl Motivation als auch Mehrwert des Werks: „Hauptanliegen … ist die Veröffentlichung der fehlenden Urkunden, die Wiedergabe sprachlich einwandfreier Texte, sie zu erschließen durch einen ausführlichen Index …, vor allem aber durch nicht zu knappe Regesten“ (S. 21). Ein Orts- und Personenindex erschließt die umfangreiche Sammlung. Bis auf ein Abgabenverzeichnis aus dem Jahr 1463 (Nr. 1242), das in Form einer Bestätigungsurkunde daherkommt, sind keine Rechnungsauszüge, Briefe oder vergleichbare Gattungen abgedruckt, sondern ausschließlich Urkunden. Inhaltlich sind diese zuerst von regionalgeschichtlichem Interesse. Themen und Verteilung entsprechen dem, was man für eine norddeutsche Zisterze erwarten würde. Die erste Urkunde auf Deutsch ist für 1321 überliefert, ein Zehntverkauf (Nr. 846). Bei dem schönen Fall, dass das Kloster seine Ansprüche gegenüber Dritten durch Vorlage alter Urkunden belegen konnte (Nr. 1046), hätte man sich einen Verweis auf die entsprechenden Stücke gewünscht. Im 15. Jh. überwiegen Rentenverkäufe, die auf die Kapitalbeziehungen des Klosters in die nahen Städte hindeuten, so wie die Gütergeschäfte des 13. Jh. einen Einblick in das Geflecht der niederadligen Familien gewähren. Die zahlreichen Freilassungen von Eigenleuten ab der Mitte des 15. Jh. sind erwähnenswert. Von den über 1500 Seiten entfallen knappe 25 auf die Einleitung. Zur Geschichte des Klosters greift man ohnehin am besten zum Niedersächsischen Klosterbuch. Die Beschreibung des Fonds – ediert wird ausschließlich aus dem noch im Kloster lagernden Archiv – ist auf das Nötigste beschränkt. Dennoch wäre weniger eine Beschreibung der Repertorien als eine des Überlieferungsumfelds wünschenswert gewesen, um auf mögliche Querverbindungen und Bezüge aufmerksam gemacht zu werden. Dass es relevante Überlieferung im Niedersächsischen Landesarchiv gibt, wird nicht erwähnt. Es wird deutlich, dass trotz der beachtlichen bearbeiteten Menge wieder nicht der gesamte Urkundenbestand ediert wurde (unter anderem wurden abschriftlich in einer Chronik erhaltene Stücke mit Hinweis auf spätere Veröffentlichung nicht aufgenommen) sowie dass die z.T. ausufernden Siegelbeschreibungen nur bis 1475 systematisch gegeben werden. Vor dem Hintergrund allerorten entstehender digitaler Siegeldatenbanken oder der Möglichkeit des Drucks herausragender Stücke wären sie ohnehin entbehrlich gewesen. Sind Wüstungen im Regest genannt, werden diese nicht hervorgehoben (durch Kreuz, Stern oder Schriftschnitt), eine Kleinigkeit, die den Rezensenten dennoch irritiert. Das Urkundenbuch versammelt eine große Anzahl bisher nicht im Volltext oder überhaupt im Druck vorliegender Stücke des insgesamt beachtlichen Bestands. An anderer Stelle (Rez. durch Chr. Hoffmann im Niedersächsischen Jb. 93, 2021, S. 378–383) ist jedoch auf Unzulänglichkeiten der Neuedition hingewiesen worden, welche die zusätzliche Benutzung des Hodenbergschen Urkundenbuchs weiterhin nötig machen.
Niels Petersen
(Rezensiert von: Niels Petersen)