Mike Janssen, Wie das Leben so der Tod. Sterbedarstellungen von Kaisern und Königen in der Historiographie des früheren Mittelalters (Studien zu Macht und Herrschaft 4) Bonn 2021, V&R unipress, 480 S., 12 Abb., ISBN 978-3-8471-1351-5, EUR 65. – Das Buch reiht sich in eine Gruppe von neueren Publikationen ein, die sich mit dem Tod von Herrschern auseinandersetzen. Die Arbeit wählt gezielt einen anderen zeitlichen Fokus als Manuel Kamenzin, Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (2020, siehe oben S. 354f.), dessen Buch sich auf den Zeitraum zwischen 1150 und 1349 bezieht. J. blickt nun auf Merowinger, Karolinger und Ottonen. Zwangsläufig verlagert er damit auch den Schwerpunkt der Betrachtung auf die Autoren der Zeit, allen voran Gregor von Tours, Regino von Prüm und Thietmar von Merseburg. Diesen drei Autoren widmet er jeweils ein Unterkapitel im vierten Teil der Arbeit (S. 153–311) zur historiographischen Darstellung von Sterben und Tod; dieser stellt den umfangreichsten Teil des Buchs dar. Die davor geschalteten drei Kapitel bieten eine Einleitung (S. 15–42), eine Einführung zum Sterben im MA (S. 43–100) und einen Überblick über das gute und schlechte Sterben (S. 101–151). Bemerkenswert sind dort etwa die Ergebnisse des Unterkapitels zu signa und prodigia (S. 140–149), in dem J. zeigen kann, dass Vorzeichen als Begleiterscheinungen von Herrschertoden vor allem in der merowingischen und karolingischen Historiographie zu finden sind, wobei Himmelserscheinungen die älteren prophetischen Ankündigungen ersetzten; auffallend absent sind sie bei Thietmar von Merseburg. Neben dem vierten Kapitel steht ein zweiter Hauptteil, der sich den Herrschertoden thematisch und in exemplarischer Weise widmet (S. 313–383). Hier greift die Arbeit auch auf die Salierzeit aus; vor allem Rudolf von Rheinfelden und Heinrich IV. werden gesondert betrachtet. Inhaltlich unterscheidet J. vor allem zwischen einem „stillen“ Tod einerseits und Ermordung, Kriegs- und Unfalltod andererseits. Krankheiten erhalten oftmals erst im Zusammenhang mit dem Tod ihren Platz in der Historiographie, da sie Teil eines „guten“ Todesnarrativs sein konnten, während ihre Erwähnung zu aktiven Lebzeiten des Herrschers eher Schatten auf dessen Handlungsfähigkeit hätte werfen können. Zusammenfassungen bei jedem Kapitel, eine konzise Schlussbetrachtung (S. 385–400) und mehrere Anhänge und Register erleichtern den Zugang für den eiligen Rezipienten. Nicht immer sind die Ergebnisse neu oder überraschend, mitunter erscheint der betrachtete Zeitraum doch sehr breit. Dass die Darstellungsabsicht die Federn der Autoren lenkte, dass „selten ... objektiv über die Protagonisten berichtet“ wurde (S. 385) und dass die Beschreibung des Herrschertodes zur Bewertung des Verstorbenen diente, gehört zu den immer wieder unterstrichenen Einsichten, die bereits vielfach in der Forschung herausgearbeitet wurden. Der breitere Blick über viele Jahrhunderte erlaubt aber eine statistische Auswertung, etwa zum durchschnittlichen Lebensalter oder zu den Todesursachen der Könige (Königinnen stehen übrigens nicht im Fokus der Studie) – Aussagen zum Lebensalter eines Herrschers sind für das Früh-MA zwar wenig hilfreich, der damit offengelegte Diskurs über Altersvorstellungen ist hingegen durchaus interessant. „Belege“, schließt J., „dass die Darstellungen, ob gut oder schlecht, der betreffenden Person oder ihren Nachkommen tatsächlich nutzte oder schadete [sic], sind nicht auszumachen“ (S. 399). Dass die historiographische Beschreibung den Toten wohl nicht mehr schadete, sondern allenfalls ihrem Andenken, sei nur nebenbei bemerkt; aber der Verweis auf den Kontext dieser Darstellungen im Gesamtgefüge der untersuchten historiographischen Quellen ist durchaus wichtig und eine Stärke von J.s Herangehensweise. Vielleicht wünschte man sich ein Buch mit noch etwas mehr Mut zur These, das etwas weniger statisch seinen eng definierten, freilich zeitlich weit gespannten Gegenstand abhandelt. Die von Cluny ausgehende dramatische Entwicklung des 10. und 11. Jh., die das Fegefeuer als Läuterungsort zwischen Himmel und Hölle erst fest etablierte, oder die Einführung des geweihten Kirchhofs muss man sich erst indirekt aus dem Abschnitt über die Jenseitslehre (Kap. II.2) erschließen. Hier werden viele Zitate aus Quellen und Positionen der Sekundärliteratur erschlossen – nur könnte man das etwas mutiger auf den Gegenstand der Arbeit anwenden. So bleibt es bei der allgemeinen Einsicht, dass die Todesbeschreibung in der Historiographie ein Urteil über den Toten fällt, ohne dass die Dynamiken im Früh- und Hoch-MA deutlich herausgearbeitet würden. Am Ende bleibt ein Buch, das auch für künftige Forschung Anknüpfungspunkte bietet und als Referenz für die Herrschertode des Früh-MA weithin Verwendung finden wird.
Romedio Schmitz-Esser
(Rezensiert von: Romedio Schmitz-Esser)