Wolfgang Stürner, Die Staufer. Eine mittelalterliche Herrscherdynastie, Bd. 1: Aufstieg und Machtentfaltung (975–1190) (Urban-Taschenbücher) Stuttgart 2020, Kohlhammer, 391 S., Abb., ISBN 978-3-17-022590-9, EUR 20. – Das Buch bietet einen systematischen politischen Überblick zu den Ursprüngen der Staufer, vor allem aber zur frühen Stauferzeit, wobei Friedrich Barbarossa im weitaus umfangreichsten abschließenden Kapitel (S. 120–324) der größte Raum eingeräumt wird. Konrad III., dem das vierte Kapitel gewidmet ist (S. 75–119), erhält seiner kürzeren Regierungszeit entsprechend ein Viertel der Seiten. Vorgeschaltet sind zwei Kapitel, die den Ursprüngen der Staufer und vor allem ihrer salischen Verwandtschaft (Kap. 2, S. 11–53) sowie der Zeit Lothars III. (Kap. 3, S. 54–74) gewidmet sind, in der sich die Königsherrschaft Konrads ankündigte. Der spannendste Teil für eine Bewertung des Buchs ist der unscheinbarste, das Kapitel 1. Schon dadurch, dass diese kurze Vorrede unter dem Titel „Die Staufer und die Geschichtswissenschaft unserer Zeit“ nur zwei Seiten stark ist (S. 9f.) und dennoch eines von insgesamt fünf Hauptkapiteln darstellt, lenkt sie den Blick auf sich. Anders als man zunächst vermuten könnte, wird hier nicht der Forschungsstand systematisch resümiert oder die reiche und für die Bewertung durchaus wesentliche Rezeptionsgeschichte der Staufer mehr oder weniger vollständig in den Blick genommen – es gibt in diesem Kapitel überhaupt nur eine einzige Fußnote. St.s Ziel ist hier vielmehr, auf die Zeitabhängigkeit jedes Stauferbildes zu verweisen; recht unverblümt wirft er der Forschung vor, mehr oder weniger einhellig „alle Versuche einer Stilisierung der staufischen Kaiser und Könige zu souverän agierenden Staatsmännern im modernen Sinn“ (S. 9) aufgegeben zu haben, obwohl dies – hier muss man zwischen den Zeilen lesen – eine von der älteren Forschung eingenommene und durchaus legitime Sicht der Dinge sei. Leider bleibt es bei solch allgemeinem Raunen über die Zeitgebundenheit historischer Forschung, das man auch als Warnung davor verstehen kann, die hier gebotene Sicht für einzig objektiv zu halten – dagegen wäre ja auch gar nichts einzuwenden. Vielleicht ist es nicht zu weit gegriffen, hierin gerade den entscheidenden Auftakt für St.s Darstellung der Staufer erkennen zu wollen: Seine Beschreibung der weiteren Entwicklungen folgt eben vor allem den Herrschern und der Dynastie. Kapitel behandeln „Des Königs Sorgen in Deutschland“ (S. 108–116) oder charakterisieren „Konrads Stärken und Schwächen“ (S. 117–119). Das ist an sich keineswegs verkehrt, nur zentriert es die Geschichte ganz absichtlich auf die ältere, vom Herrscher ausgehende Erzählung. Jüngere Volten und Diskussionen der Forschung in den letzten Jahrzehnten bleiben so konsequent nur am Rand der Diskussionswürdigkeit. Ein paar Beispiele: Ob im 11. und frühen 12. Jh. dynastisches Handeln überhaupt schon am Horizont der Zeitgenossen auftauchte, adelige Geschlechter also gezielt weit über die eigenen Eltern oder Kinder hinaus dachten, ist gerade in Bezug auf die Grablegen diskutiert worden. Doch bei St. entscheidet sich Herzog Friedrich I. von Schwaben zur Gründung eines „Hausklosters“, auch wenn das letztlich misslang, wie St. selbst einräumt. „Vermutlich sah Friedrich in seinem Kloster die künftige Begräbnisstätte seiner Familie, den zentralen Ort des liturgischen Gedenkens“ (S. 27). Wenn Friedrich Barbarossa die Königswürde antritt, so muss man schon um die Streitpunkte in der Forschung wissen, um das Übergehen von Konrads Sohn Friedrich in der Thronfolge durch seinen Onkel als Problem zu erfassen. St.s Kommentar, „in keiner Quelle aus jener Zeit findet sich jedoch ein Hinweis darauf, dass er [Konrad III.] sich mit den Fürsten bereits auf einen Wahltermin geeinigt hatte, den Friedrich Barbarossa dann praktischerweise hätte übernehmen können“ (S. 120), ergibt nur Sinn, wenn es diese Meinung in der Forschung auch gibt (was ja stimmt, nur wird das hier nicht expliziert). St.s weitere Beschreibung unterstreicht die Harmonie beim Übergang jedoch noch – auch die Bestattung Konrads vor Ort in Bamberg habe nur praktische Gründe gehabt, denn sie ersparte Barbarossa „die zeitraubende Überführung seines toten Onkels etwa nach Lorch“ (S. 121). Dass später Friedrich II. zwar Philipp von Schwaben, nicht aber Konrad III. von Bamberg nach Speyer überführen ließ, zeigt ja, dass Spekulationen über Brüche innerhalb des Familiengefüges nicht ganz aus der Luft gegriffen sein könnten. Kurzum: St.s Darstellung ist ein gut lesbarer, klar strukturierter, aber an den kulturwissenschaftlichen Überlegungen der letzten Jahrzehnte letztlich desinteressierter Überblick, der die hohe Warte des Schicksals von Dynastie und Herrscher nicht verlässt. Wer genau das sucht, wird hier fündig; neue Fragen wirft der Band aber nicht auf, sondern er harmonisiert, wo weitergedacht werden müsste, schnürt Probleme zu, wo sie offen in der Debatte stehen. Im breiten Markt von Überblicksdarstellungen zu den Staufern ist dies eine mögliche – und natürlich legitime – Lösung, aber durchaus nicht die einzige.
Romedio Schmitz-Esser
(Rezensiert von: Romedio Schmitz-Esser)