Heiko Behrmann, Instrument des Vertrauens in einer unvollkommenen Gesellschaft. Der Eid im politischen Handeln, religiösen Denken und geschichtlichen Selbstverständnis der späten Karolingerzeit (Relectio 4) Ostfildern 2022, Jan Thorbecke Verlag, 480 S., ISBN 978-3-7995-2805-4, EUR 50. – Die Ende des vergangenen Jahrzehnts am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin entstandene Diss. nimmt einen komplexen Forschungsgegenstand in den Blick, der einerseits der Rechtsgeschichte angehört, andererseits aber auch stets Beachtung durch die Früh- und Hoch-MA-Forschung gefunden hat, ergab sich hier doch ein Schlüssel zum Zusammenhalt der Gesellschaft. Einleitung und Schlussbetrachtung mitgezählt, besteht die Arbeit aus fünf Teilen. In einer Vorbemerkung (Teil II, S. 21–27) wird das „Vertrauen in der späten Karolingerzeit“ im Sinne Luhmanns unter dem Aspekt der „Krise(n)“ betrachtet. Anschließend werden im umfangreichen Teil III (S. 29–354) die Quellen aus dem Untersuchungszeitraum untersucht, wobei B. zwischen erzählenden (historio- und hagiographischer Art) und theologischen Quellen wie der Exegese und der Traktatliteratur unterscheidet. Schließlich werden die Rechtsquellen sowohl aus der sakralen als auch aus der weltlichen Sphäre dargestellt. Dem rechtlichen Kontext widmet sich B. mit dem vorgeschalteten Hinweis, dass „eine Unterscheidung zwischen ‘kirchlich’ und ‘weltlich’ in dieser Zeit freilich nur bedingt möglich“ sei „und ... an dieser Stelle vornehmlich methodisch“ verstanden werden müsse (S. 262). Teil IV ist überschrieben mit „Statt einer Zusammenfassung“ und soll eine „Geschichte des Eides in der späten Karolingerzeit“ bieten (S. 355–425). Diese ist chronologisch angelegt und handelt von der Kirchenbuße Ludwigs des Frommen 833 bis zur Synode von Hohenaltheim 916. Ein Personen- und Ortsregister und ein Sachregister schließen das Buch ab. B. führt seine methodischen Prämissen – Vertrauenskrisen und Eidesleistungen – überzeugend zusammen, wobei er sich bei der Auswertung der von ihm ausgewählten Quellen auf den Terminus fides konzentriert (S. 25f.: „Treue als Haltung“). Ausgehend von Gerd Tellenbachs Analyse der Ereignisse um 830, die B. mit Dorothea Welteckes Beobachtung zum Gebrauch des Begriffs fides verbindet, entsteht eine belastbare Fragestellung (S. 21–27): Wie wurde in der späten Karolingerzeit von den herrschenden Eliten auf die „wiederholten Vertrauenskrisen“ (S. 25) reagiert? Man muss dem Vf. auf einem langen Weg folgen, durch über 300 Seiten der Textanalyse und durch gut 70 Seiten ereignisgeschichtlicher Darstellung. Gemessen daran, fällt B.s Schlussbewertung ein wenig knapp aus: Der „Kampf um den Eid“ wird als „intellektuell geführter Diskurs“ charakterisiert, der sich immer wieder seiner „vertrauensstiftenden Ressourcen vergewissern musste“, „eine Geschichte des Eides“ sei „auch immer die Geschichte eines Dilemmas“ (S. 427f.). Der einführend gesetzte Begriff fides wird nicht mehr genannt.
Caspar Ehlers
(Rezensiert von: Caspar Ehlers)