Tommaso Chaula, Gesta Alfonsi regis, a cura di Fulvio Delle Donne / Mariarosa Libonati (Supplementi al Bollettino del Centro di studi filologici e linguistici siciliani, Serie mediolatina e umanistica 9) Palermo 2021, Centro di studi filologici e linguistici siciliani, 369 S., ISBN 979-12-80182-04-3, EUR 30. – Der kritischen Edition der Gesta Alfonsi regis (oder Gestorum per Alfonsum Aragonum et Sicilie regem libri quinque) des Thomas Chaula (um 1417/18–1433) liegt eine diplomatische Transkription des lateinischen Textes durch den sizilianischen Historiker und Diplomatiker Raffaele Starrabba von 1904 zugrunde; die von diesem benutzte Hs., Neapel, Archivio di Stato, membr. 60, wurde im Jahr 1943 zerstört. Wo das möglich war, wurde die Transkription kollationiert mit einer stark gekürzten und bearbeiteten Epitome in Kopenhagen, Arnamagnæanske håndskriftsamling, AM 833, die auf den spanischen Geschichtsschreiber Jerónimo Zurita (1512–1580) zurückgeht, dessen Anales de la Corona de Aragón an verschiedenen Stellen Überschneidungen mit Chaulas Gestorum libri aufweisen. Starrabba hat sich mit der Veröffentlichung seiner diplomatisch-konservativen Transkription gewiss große Verdienste erworben, machte er damit doch einen Text von eminenter Bedeutung bekannt sowohl für die Entwicklung der aragonesischen Geschichtsschreibung als auch wegen der darin enthaltenen historischen Informationen. Allerdings verzichtete er bewusst auf jeden Eingriff in den Text und ließ unangetastet, was er für die Lesarten und die Orthographie des Originals hielt, also auch Zusammenschreibungen und Trennungen von Wörtern, wie er sie zu erkennen meinte, eine ziemlich irrationale Interpunktion und alle Fehler, für die er nur gelegentlich in einer Fußnote eine Korrektur vorschlug. Der Text war also nahezu unverständlich, hatte aber immerhin den Vorzug, nicht durch stillschweigende Eingriffe eines Editors entstellt zu sein, wie es so vielen anderen Werken erging, die von Gelehrten früherer Jahrhunderte transkribiert wurden. Auf dieser Transkription also, die man als eine Art photographische Reproduktion der Hs. betrachten könnte, basiert die kritische Edition von D. D., zu der L. eine Einführung beigesteuert hat. Als erstes wurden die korrekten Wortgrenzen wiederhergestellt und Orthographie und Interpunktion nach modernen Standards normalisiert. Dann wurden die notwendigen Eingriffe getätigt, um einen möglichst verständlichen Text herzustellen, die logisch-syntaktischen Zusammenhänge und die historischen Abläufe erkennbar zu machen, wobei jeder substantielle Eingriff im Apparat deutlich vermerkt wurde. Die Unterteilung in Kapitel wurde beibehalten, aber innerhalb dieser Kapitel eine zusätzliche Paragraphenzählung nach logisch-syntaktischen Einheiten hinzugefügt. In vielen Fällen bediente sich der Editor der emendatio ope ingenii, immer geführt von den Prinzipien der syntaktischen Korrektheit, der Logik und der paläographischen Wahrscheinlichkeit. Neben dem kritischen Apparat, der auch Randbemerkungen der Hs. verzeichnet, findet man einen Apparat der antiken Similien und einen mit den Abweichungen der Epitome Zuritas. D. D. hat seiner Edition eine Vorbemerkung vorangestellt, die das Werk in das komplexe Umfeld der Historiographie über Alfons den Großmütigen von Aragón einordnet und die wichtige „propagandistische“ Funktion dieser Geschichtsschreibung rekonstruiert, die von späteren Historikern wie Bartolomeo Facio und Antonio Beccadelli (Panormita) noch ausgebaut werden sollte. Tatsächlich sind Chaulas Gesta Alfonsi, die von den ersten Aktivitäten des Königs in Italien in den Jahren 1420–1424 erzählen, der Ausgangspunkt der alfonsinischen Geschichtsschreibung. Zusammen mit der etwa 20 Jahre später entstandenen Historia Alphonsi primi regis des Gaspar Pelegrí waren sie Auslöser der leidenschaftlichen Debatte de historia conscribenda, an der sich einige der klügsten und innovativsten Humanisten der Zeit wie Lorenzo Valla, Bartolomeo Facio oder Panormita beteiligten, die alle am aragonesischen Hof in Neapel aktiv waren. Die Einführung von L. bietet eine gründliche Biographie des sizilianischen Humanisten, einen Überblick über sein literarisches Werk vor den Gesta Alfonsi (im wesentlichen historische Epik) und eine detaillierte Studie zu Struktur und Charakter der Gesta, die vor allem zeigen will, mit welchen Mitteln Chaula die Ansprüche Alfons’ auf den Kaisertitel zu legitimieren versuchte. Der Text ist zwar in Prosa geschrieben, zeigt aber zahlreiche Charakteristika der klassischen lateinischen Epik, daher hat man schon vermutet, es handele sich im Grunde nur um eine vorbereitende Skizze für ein Epos. Der Gang der Erzählung wird immer wieder durch Dialoge, Reden oder Klagen unterbrochen, die dem Werk nicht nur ein dichterisches Gepräge geben, sondern auch eine Funktion für die Abfolge der Ereignisse oder für die enkomiastischen Ziele des Autors erfüllen. Der epische Charakter, aber auch der Reichtum an rhetorischen Finessen und tópoi ist unübersehbar. Beigegeben sind der Edition die erste Übersetzung des Textes ins Italienische durch D. D. und kommentierende Anmerkungen von L., die vor allem der Identifizierung von Personen und dem schnellen Abgleich mit anderen Quellen dienen. Die methodisch ausgezeichnete und für das Verständnis des Textes ungemein nützliche Arbeit ist allein durch die Vorgehensweise des vorausgehenden „Editors“ Starrabba beeinträchtigt. Hervorzuheben ist die gelungene Einordnung von Chaulas Werk in die Geschichte der Historiographie des 15. Jh., insbesondere in den vielschichtigen Komplex, der den Übergang von der angiovinischen Herrschaft in Neapel zur aragonesischen erzählt.
Edoardo D’Angelo (Übers.: V. L.)
(Rezensiert von: Edoardo D’Angelo)