DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Stephen Bennett, Elite Participation in the Third Crusade (Warfare in History) Woodbridge 2021, The Boydell Press, XII u. 445 S., Abb., Karten, ISBN 978-1-78327-578-6, GBP 60. – Die Studie widmet sich Kreuzfahrern aus Nordwesteuropa, die in den Jahren 1187–1192 am Dritten Kreuzzug teilgenommen haben. Ausgewählt wurden nur solche Teilnehmer, die aus dem anglonormannischen Königreich Heinrichs II. und Richards I. sowie dem Herrschafts- und Einflussbereich des kapetingischen Königs Philipp II. Augustus kamen. Dabei wurden auch Kreuzfahrer aus den Niederlanden (unter Ausschluss Frieslands) berücksichtigt. Das römisch-deutsche Reich und die anderen lateineuropäischen Herkunftsregionen von Kreuzfahrern während des Dritten Kreuzzugs wurden nicht einbezogen. Insofern verspricht der Titel des Buchs mehr, als es tatsächlich einlösen will. Grundlage der Untersuchung bilden rund 580 Namen von englischen, nordfranzösischen und aus dem Raum zwischen Schelde, Maas und Rhein stammenden Kreuzzugsteilnehmern. Sie werden in einem Anhang mit knappen Informationen zu den einschlägigen Quellenbelegen aufgelistet (Appendix 1, S. 220–348, mit 583 Namen; es folgen 14 weitere Personen, von denen ein Kreuzfahrergelübde bezeugt ist, die aber nicht aufgebrochen sind: S. 348–352). Erweitert werden diese Namenslisten durch einen zweiten Anhang, der 224 Personen verzeichnet, die zum Hof König Richards I. zu rechnen sind und in unterschiedlichen Beziehungen zur Vorbereitung, Organisation, Finanzierung beziehungsweise Durchführung des Kreuzzugs standen (Appendix 2, S. 353–386; ergänzt wird dieser Anhang durch drei Listen, die Kreuzzugsteilnehmer aus dem weiteren Umfeld des englischen Königs nennen, insgesamt 64 Namen aus dem Adel, der Ritterschaft und dem hohen Klerus Nordfrankreichs und Englands: S. 387–396). Die Arbeit stellt trotz der Auswertung dieses reichen Namenmaterials keine prosopographische Untersuchung im klassischen Sinn dar. Sie nimmt aber für sich in Anspruch, die erste Studie zum Dritten Kreuzzug zu sein, die die Frage nach den Motiven für die Kreuznahme mit einer Analyse der am Kreuzzug beteiligten Personen verknüpft (S. 3). Im Mittelpunkt steht deshalb die Frage nach Netzwerken zwischen den Kreuzfahrern beziehungsweise Kreuzfahrergruppen. In vier großformatig angelegten Kapiteln geht B. den Fragen nach, die er entsprechend systematisierend gruppiert: Im ersten Kapitel geht es zunächst um Glauben und Geld (S. 29–89), und B. untersucht Schenkungen und Stiftungen von Kreuzfahrern zugunsten von Klöstern, Hospitälern und geistlichen Ritterorden. Etwa ein Viertel aller hier in den Blick genommenen Kreuzzugsteilnehmer, so das Ergebnis, standen als Schenker und Stifter in engeren Beziehungen zu den Zisterziensern, Prämonstratensern oder einem der Ritterorden. Daraus leitet B. die zentrale Bedeutung religiöser Motive für einen großen Teil der Kreuzfahrer ab. Das zweite Kapitel fragt nach familiären und verwandtschaftlichen Bindungen, die für die Kreuznahme eine Rolle gespielt haben (S. 90–120). Zu den wichtigsten Ergebnissen dürfte hier gehören, dass etwa ein Viertel aller untersuchten Kreuzzugsteilnehmer Verwandte hatten, die bereits an früheren Kreuzzugsexpeditionen mitgewirkt hatten; 41 % aller Kreuzfahrer hatten Verwandte unter den Teilnehmern. Der Familienbesitz der abwesenden Kreuzfahrer blieb vergleichsweise sicher in der Hand der Familien; dabei konnten auch Brüder und Ehefrauen an der Ausübung der Rechte beteiligt sein. Im dritten Kapitel fragt B. nach lokalen und regionalen Verbindungen zwischen den Kreuzfahrerfamilien (S. 121–158). Nachbarschaft, wirtschaftliche und finanzielle Austauschbeziehungen sowie Gemeinschaftsereignisse wie die Turniere in den 1170er–1190er Jahren trugen zur Verstärkung von Netzwerken bei, die den Hintergrund für die Beteiligung am Dritten Kreuzzug bildeten. Das vierte Kapitel gilt dem Hof König Richards I. und seiner Rolle beim Dritten Kreuzzug (S. 159–212). Hier setzt sich B. von älteren Arbeiten zum Hofstaat Richards I. ab und arbeitet heraus, wie zentral die Rolle des Hofs sowohl im angevinischen Königreich während der Abwesenheit des Königs als auch im Nahen Osten während der dortigen Aktivitäten Richards I. war. Insgesamt gelingt es B. überzeugend, das Spannungsverhältnis zwischen der persönlichen Entscheidung zur Kreuznahme auf der einen und den familiären, sozialen und politischen Bindungen auf der anderen Seite zu beschreiben. Damit liegt ein sehr wichtiger und weiterführender Beitrag zur Diskussion über die Rahmenbedingungen und die Motive von Kreuzzugsteilnahmen im 12. Jh. vor.

Stefan Tebruck

(Rezensiert von: Stefan Tebruck)