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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Flavia Frauzel, Lazio – Roma Città Metropolitana, I (Inscriptiones Medii Aevi Italiae, saec. VI–XII, 5) Spoleto 2021, Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, 289 S., zahlreiche Abb. und eine Karte, ISBN 978-88-6809-331-0, EUR 60. – Der fünfte Band des Corpus der ma. Inschriften Italiens, der nach Viterbo (Bd. 1, 2002) und Rom, Rioni V–VIII (Bd. 4, 2017, vgl. DA 76, 822–824), die Erschließung der Region Latium fortsetzt, versammelt die erhaltenen und kopial überlieferten Denkmäler des südöstlichen, im Strahl der Via Casilina, Via Tuscolana und Via Appia liegenden Sektors der heutigen Provinz Rom, im Gebiet der „Castelli Romani“ um die Albaner Berge. Die wichtigsten der 19 erfassten Kommunen sind Albano Laziale, Cave di Palestrina, Genazzano, Frascati, Lanuvio, Grottaferrata, Palestrina, Segni und Velletri. In der Spätantike geprägt durch die Latifundien stadtrömischer Eliten und durch die suburbikarischen Bistümer Albano, Frascati, Palestrina und Velletri-Segni in das römische Kirchensystem eingegliedert, entwickelte sich diese Zone zur Machtbasis der im 10. und in der ersten Hälfte des 11. Jh. die römische Politik und den Papststuhl dominierenden Grafen von Tusculum, denen im 12. Jh. eine zunehmende Präsenz der aufstrebenden stadtrömischen Adelsfamilien der Colonna, Savelli, Frangipane und Orsini folgte. Die 59 Nummern des Katalogs konzentrieren sich chronologisch auf Grabinschriften des 5.–6. Jh. (16), weit über die Hälfte jedoch auf das späte 11. und das 12. Jh., vor allem als Bau-, Stifter-, Weihe- und Künstlerinschriften – sicher ein Spiegel der kirchenreformerisch bestimmten baulichen renovatio Romae, für die die stadtrömischen Marmorwerkstätten der Kosmaten moderne liturgische Ausstattungsstücke in das Umland lieferten. Im Bestand des Bistumssitzes Albano Laziale sticht eine vielleicht 1108 zu datierende Urkundeninschrift Papst Paschalis’ II. (1099–1118) zu einer Steuerbefreiung für die Einwohner der Stadt heraus (Nr. 4, S. 33–36), in Cave di Palestrina eine Altarweiheinschrift des prowibertinischen Kardinalbischofs Hugo Candidus von Palestrina (1093–nach 1099) mit einer Amtsdatierung nach dem Gegenpapst Clemens III. alias Wibert von Ravenna (Nr. 14, S. 70f.). Einen Sonderfall bildet naturgemäß der griechische Inschriftenfundus der byzantinisch-unteritalienischem Ritus folgenden Abtei Grottaferrata, der ausschließlich mit der bau- und bildkünstlerischen Modernisierung in den Jahrzehnten um 1100 und im späten 12. Jh. in Zusammenhang steht. Der größte, auffälligste Einzelbestand an Inschriften entfällt auf die Bischofsstadt Palestrina (13), zur Hälfte Fragmente (6.–9. Jh.) aus dem frühchristlichen Vorgänger des karolingerzeitlichen Doms S. Agapito, der aus der Zeit eines tiefgreifenden Umbaus zwei bemerkenswerte Weiheinschriften bewahrt hat, 1116 für Kryptenaltar und Krypta durch den Kardinalbischof und Papstlegaten Conon von Palestrina (vor 1109–1122) und 1117 für Hochaltar und Kirche durch Paschalis II. (Nr. 49f., S. 171–175). Nicht aufgenommen sind dagegen ein verlorenes, kopial überliefertes Fragment einer Weiheinschrift und eine Künstlerinschrift des Domportals, die in der Regel mit diesem Umbau des frühen 12. Jh. zusammengesehen werden (vgl. Albert Dietl, Die Sprache der Signatur, 2009, vgl. DA 67, 267–269, Bd. 2 S. 1157f., Kat. Nr. A433). Mit den Grabinschriften für den Ortsbischof Teofilatto (963–988) aus dem Haus der Tusculaner (Nr. 48, S. 170f.) und für einen als lux Italie titulierten, mit dem trojanischen Helden Hektor verglichenen dux Oddone aus dem Haus Colonna (2. Hälfte 12. Jh.) (Nr. 51, S. 175–178) birgt S. Agapito in Palestrina zugleich die historisch bedeutsamsten Grabdenkmäler des Bandes. Hervorzuheben ist zuletzt noch die Weiheinschrift von 1085 des Kardinalbischofs Odo I. de Lagery (1078–1088), des nachmaligen Papsts Urban II., für die Kirche S. Silvestro in seinem Bistumssitz Velletri (Nr. 59, S. 200f.). Ein umfangreicher, feinteiliger Apparat an Indices beschließt den Band, eine Landkarte der behandelten Region wäre sehr hilfreich gewesen.

Albert Dietl     

(Rezensiert von: Albert Dietl)