Ulrich-Dieter Oppitz, Das Meißner Rechtsbuch – Materialien zu einem erfolgreichen Rechtsbuch des 14. Jahrhunderts, Nordhausen 2022, Verlag Traugott Bautz GmbH, 673 S., ISBN 978-3-95948-571-5, EUR 74. – Das Meißner Rechtsbuch hat gleich einem Flussdelta ein weitverzweigtes Netzwerk von Quellen hinterlassen. Rund 100 Hss. dieses Rechtstextes aus dem 14. Jh. sind erhalten; seine Verbreitung erstreckte sich vom heutigen mittel- und norddeutschen Raum bis nach Schlesien, Böhmen und Mähren. Über die Jahrhunderte entstand eine eigene Meißner Rechtsbuchforschung, die zu Editionen einzelner Hss., Hss.-Genealogien und linguistischen Studien sowie zu einer Debatte über den passenden Namen für das Rechtsbuch führte. Das erste Verdienst der nun vorliegenden Arbeit von O. ist die sorgfältige Aufbereitung des Forschungsstands, die durch die Konsultation von Archivmaterial über den Hergang vergangener Forschungsprojekte die Herausforderungen im Umgang mit dem Meißner Rechtsbuch zu Tage treten lässt. Anschließend ediert O. die Wolfenbütteler Hs. 47.2 Aug. fol. aus dem Jahr 1446 und verknüpft sie hinsichtlich der formalen Reihung der Distinktionen und im Wege der Konkordanz mit bereits vorhandenen Editionen anderer Hss. Er ergänzt die von W. Weizsäcker (vgl. u.a. DA 5, 594) und G. Ullrich begonnenen Filiationsanalysen anhand sich unterscheidender Distinktionen in vier Ordnungen. Abgerundet wird die Edition von interessanten Impulsen zur inhaltlichen Erschließung durch Beobachtungen zu Sprache, Münzen, Orts- und Eigennamen, Tieren und Syntagmata. Die Bedeutung des Meißner Rechtsbuchs als Rechtsquelle über seinen eigenen Geltungsbereich hinaus deutet O. mit der Erwähnung von Entnahmen von Distinktionen in zahlreichen anderen Rechtstexten sowie der Rezeption des Meißner Rechtsbuchs im Rechtsabecedar der 2200 Artikel nur an. Diese Ausführungen aber vermögen die Behauptung vom Erfolg des Rechtsbuchs, wie der Titel prominent ankündigt, mangels weiterer Kontextualisierung nicht zu begründen. Das Werk war lange erwartet worden. Die Geduld hat sich dahingehend ausgezahlt, als nun ein weiterer Baustein des Quellenmosaiks Meißner Rechtsbuch sorgfältig aufbereitet und fugenlos an die ältere und jüngere Forschung angefügt wurde. Ein Wermutstropfen bleibt: Die Bedeutung der gewählten Wolfenbütteler Hs. im Quellennetzwerk Meißner Rechtsbuch bleibt weitgehend im Dunkeln. Weder wird ihre Auswahl als edierte Quelle begründet, noch wird ihre Stellung in dem anerkannten Modell der vier Ordnungen detaillierter verortet. Andere Editionen zum Meißner Rechtsbuch haben hier Standards gesetzt (Spáčil / Spáčilová, 2010, vgl. DA 66, 700). Wichtige Impulse des ausgewiesenen Meißen-Experten O. für die zentrale Frage der Überlieferungsgeschichte oder der allgemeinen Rechtsbuchforschung hätten ihren Platz finden können. Die zukünftigen Bearbeiter des schon lange anvisierten Projekts einer kritischen Gesamtedition des Meißner Rechtsbuchs werden seine Arbeiten dennoch zu schätzen wissen.
Giulio Erbar
(Rezensiert von: Giulio Erbar)