Starke Frauen? Adelige Damen im Südwesten des spätmittelalterlichen Reiches, hg. von Klaus Oschema / Peter Rückert / Anja Thaller, Stuttgart 2022, Kohlhammer, 290 S., Abb., ISBN 978-3-17-042251-3, EUR 28. – Der Band dokumentiert eine Tagung vom Oktober 2020, die wiederum eine vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart in Kooperation mit A. Thaller und K. Oschema vorbereitete und sehr sehenswerte Ausstellung begleitete, in deren Mittelpunkt Margarethe von Savoyen (1420–1479) stand – Tochter des späteren (letzten Gegen-)Papstes Felix V., kurzzeitige Titularkönigin von Sizilien, dann nicht minder kurzzeitig Pfalzgräfin und in dritter Ehe seit 1453 schließlich Gräfin von Württemberg (vgl. DA 77, 851f.). Sie, das Haus und die Grafschaft Savoyen spielen auch im vorliegenden Band die zentrale Rolle: Klaus Oschema (S. 18–45) zeigt in einem einleitenden Überblicksbeitrag die Einbindung der frankophonen Grafschaft ins Reich und damit als Teil des „deutschen Südwestens“. Elisa Mongiano (S. 68–74) stellt in einem etwas uninspiriert enzyklopädischen Kurzbeitrag Margarethes Vater, Graf Amadeus VIII., den späteren Papst Felix V., vor. Die politische Qualität von Margarethes drei Ehen diskutiert Eva Pibiri (S. 75–93), was Thalia Brero (S. 46–67) durch eine lesenswerte Längsschnittstudie über den Rang der savoyischen Ehefrauen vom 11. bis 17. Jh. und damit natürlich über die Heiratspolitik der Grafen selbst flankiert. Spannende Analysen der finanziellen Probleme, die aus der Ehe Margarethes mit Graf Ulrich V. von Württemberg erwuchsen, steuern Erwin Frauenknecht (S. 94–107) und insbesondere Anja Thaller (S. 108–129) bei. Denn für beide war es die dritte Ehe, was zu komplexen Anspruchssituationen führte. Bemerkenswert ist die durchaus divergente Einschätzung der Hauptperson in den unterschiedlichen Beiträgen – der „schweigenden Figur auf dem Schachbrett der politischen und dynastischen Bedürfnisse ihres Hauses“ (Pibiri, S. 84) steht eine „erfahrene und rangbewusste, gebildete und politisch-diplomatisch aktive“ (Thaller, S. 121), kurz: die titelgebende „starke Frau“ gegenüber. Mithin dürften hier auch die Perspektiven und Stiltraditionen unterschiedlicher Wissenschaftskulturen aufscheinen, die der durchaus internationale Band (wenngleich stets bequem in deutscher Übersetzung) zusammenbringt. Die zweite Hälfte widmet sich Handlungsspielräumen und „kulturellen Profilen“ von Fürstinnen des Spät-MA. Gleichsam als komparatistischen Kontext liefern reichhaltige Längsschnittanalysen zweier großer Fürstenhäuser Peter Rückert (Württemberg, S. 130–157) und Christina Antenhofer (Habsburg, S. 189–210). Letztere entwickelt dafür ein eigenes Datenschema, um die doch sehr unterschiedlichen Habsburgerinnen und die Rahmenbedingungen ihrer „agency“ untereinander vergleichbar zu machen, während ersterer vier europäisch bedeutsame Frauengestalten unter die Lupe nimmt, die an den Württemberger Hof heirateten. Der europäischen Hofkultur widmen sich die literaturhistorischen Beiträge von Martina Backes (S. 158–166) und Christa Bertelsmeier-Kierst (S. 167–188). Sigrid Hirbodian (S. 211–227) fragt, welchen Einfluss die Herkunftsfamilie auf die Lebensumstände von hochadeligen Frauen hatte, die sich für einen geistlichen Lebensweg entschieden, was Racha Kirakosian (S. 228–250) dann am Beispiel von Katharina von Württemberg, der Tochter Herzog Ulrichs V. aus seiner ersten Ehe und damit Stieftochter von Margarethe von Savoyen, in einem quellennahen und sehr lesenswerten Beitrag konkretisiert. Endgültig den Bogen zurück zum Ausgangspunkt schlägt der Aufsatz von Ingrid-Sibylle Hoffmann / Julia Bischoff (S. 251–270) über die materiellen Spuren der Hofkultur in Margarethes Stuttgarter Zeit, in der sich deutlich das Selbstbewusstsein eines aufstrebenden Herrscherhauses zeigt. Der Band vermittelt, ausgehend von einer Frauengestalt des Spät-MA, spannende, oft sehr quellennahe und konkrete Einblicke in die europäische Politik und höfische Kultur der Zeit. Er wird begleitet von einigen hilfreichen Karten und Stammbäumen sowie zahlreichen farbigen Abbildungen, deren Qualität (im Gegensatz etwa zum Ausstellungskatalogband) allerdings leider manchmal etwas zu wünschen übrig lässt. Aber das dürfte die anregende Lektüre nicht beeinträchtigen.
Hiram Kümper
(Rezensiert von: Hiram Kümper)