Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Kassel, hg. von Wilhelm A. Eckhardt (†) / Otfried Krafft (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 13 – Quellen zur Rechtsgeschichte der hessischen Städte 9) Marburg 2022, LVII u. 513 S., Abb., ISBN 978-3-942225-50-2, EUR 38. – Der Band verdient besondere Beachtung. Es handelt sich um das letzte größere Werk des 2019 verstorbenen Archivars und Rechtshistorikers Wilhelm Alfred Eckhardt. Der nordhessischen Heimat fühlte sich der Sohn des Rechtshistorikers Karl August Eckhardt immer verbunden und edierte unter anderem Quellen aus Allendorf, Frankenberg und Kaufungen. Bleibenden Wert besitzt auch seine online benutzbare Zusammenstellung nordhessischer Gerichtsstätten. Die Quellensammlung zu Kassel schließt eine empfindliche Lücke. Beim großen Luftangriff im Oktober 1943 ging das Archiv in Flammen auf, die meisten Quellen verbrannten. In mühevoller Sucharbeit konnte E. Abschriften, Parallelüberlieferungen und Zweitausfertigungen in zahlreichen anderen Archiven ausfindig machen und zusammenstellen. Einige Stücke waren zwischenzeitlich bereits ediert, doch im wesentlichen umfasst der Band Ersteditionen. Der Marburger Historiker K. brachte das Unternehmen zum Abschluss und schrieb auch die so sachkundige wie hilfreiche Einleitung. Die Überarbeitung der noch unvollendeten Sammlung zeigt sich vor allem an der Zählweise der Urkunden. Die Edition reicht von Nr. 1 bis Nr. 346 und umschließt einen Zeitraum von 1225 bis 1600. Durch eingeschobene Stücke handelt es sich insgesamt jedoch um 384 Texte, die aber einheitlich im Register nachgewiesen sind. Vorangestellt ist den leicht normalisierten Transkriptionen jeweils ganz klassisch ein Regest. Das Bestreben nach einerseits knappen, andererseits möglichst präzisen Inhaltsangaben führt zu einem oftmals hölzernen Stil. Soweit sprachlich möglich, folgen die Formulierungen in den Regesten der Gliederung der Urkunden. Dies ermöglicht gerade bei den älteren, noch lateinischen Quellen den gezielten Zugriff auf Einzelheiten. Neben den Provenienzangaben bietet die Ausgabe Hinweise auf frühere Drucke, teilweise auch auf Sekundärliteratur. Inhaltlich umfasst die Quellensammlung eine große Bandbreite und entspricht damit dem Editionskonzept der Historischen Kommission für Hessen. Einen erheblichen Anteil, vor allem in der früheren Zeit, machen Beglaubigungen von Rechtsgeschäften aus. Der Rat arbeitete hier als Urkundsstelle für Grundstücksangelegenheiten, aber ebenso für die Befreiung von Abgaben. Teilweise beurkundete er auch auswärtige Gerichtsentscheidungen (Nr. 43). Eine ähnliche sogenannte quasinotarielle Funktion ist auch für das Reichshofgericht bekannt, ebenfalls mit Urteilsbestätigungen. Einer dieser Fälle von 1392, der Kassel betrifft, befindet sich in der Quellensammlung (Nr. 207). Die städtische Bestätigung privater Rechtsangelegenheiten konnte mit der Zeit durchaus zu einem Formerfordernis werden und begünstigte damit die Einrichtung von Grundbüchern und anderen Registern. Auf den Zusammenhang von Siegelführung und Verschriftlichung des Vertragsrechts weist die Einleitung ausdrücklich hin. Normative Quellen umfasst die Sammlung dagegen kaum. Eine landesherrliche Ordnung von 1384 erfüllt allerdings solch eine Funktion. Sie enthält mehrere Artikel zum Gerichtswesen und verlangt, man solle richten, orteil sprechin und gerichte sittzen nach keysirs rechte (Nr. 191 Art. 4). Eine besondere Gruppe bilden hoheitlich verliehene oder zumindest approbierte Statuten von Handwerkszünften (Nachweise S. 474f.). Die beginnende Policeygesetzgebung ist etwa an zwei Feuerordnungen ablesbar. Ein zweiter Teil der Quellensammlung enthält zwei sogenannte Salbücher von 1539 und 1582 sowie ein Ratsprotokoll von 1585/86. Das Ratsbuch dokumentiert die tägliche Verwaltungspraxis, die Salbücher weisen unter anderem Abgaben, Grundzinsbarkeiten und Lehensbesitz nach und schließen auch die Zunftordnungen ein. Hier begnügt sich die Edition mit der Wiedergabe ausgewählter Abschnitte, weil die Vorlage 1400 Blatt umfasst. Aus einer überregionalen Perspektive ist es etwas schade, dass im Register auf 38 Seiten Personen- und Ortsnamen nachgewiesen sind, während das Sachregister gerade einmal acht Seiten umfasst. Nützlich für die weitere Forschung ist ein auf Kassel zugeschnittenes Verzeichnis weiterer gedruckter Quellen sowie einschlägiger Sekundärliteratur. Einige Farbabbildungen führen dem Benutzer die verschiedenen Stadtsiegel vor Augen. Die Wissenschaft kann froh und dankbar sein, dass K. dieses nachgelassene Werk E.s zum Druck befördert hat.
Peter Oestmann
(Rezensiert von: Peter Oestmann)