A Companion to the Abbey of Le Bec in the Central Middle Ages (11th–13th Centuries), ed. by Benjamin Pohl / Laura L. Gathagan (Brill’s Companions to European History 13) Leiden / Boston 2018, Brill, XV u. 408 S., Abb., ISBN 978-90-04-34993-3, EUR 171. – Seit Adolphe Porées zweibändiger Histoire de l’abbaye de Bec von 1901 ist keine umfassende Darstellung der normannischen Abtei mehr geschrieben worden. Der vorliegende Companion soll hier Abhilfe schaffen und, wie die Hg. einleitend erklären, Antworten auf die Fragen liefern, wie, wann und wieso sich Le Bec zu einem der einflussreichsten Klöster in der anglo-normannischen Welt entwickelte. Das gelingt auch ganz hervorragend. Die 14 Beiträge vermitteln ein differenziertes und anschauliches Bild der Äbte, der Gemeinschaft und der Förderer von Le Bec – was auch nicht weiter verwundert, da sich die meisten Vf. bereits durch einschlägige Studien einen Namen gemacht haben. Eingangs zeichnet Jean-Hervé Foulon (S. 11–37) problembewusst und differenziert die Transformation nach, die Le Bec noch zu Lebzeiten seines Gründers, des normannischen Ritters Herluin, erfuhr: von der für die eigene Askese gegründeten Zelle zur prosperierenden könobitischen Gemeinschaft bei Herluins Tod. In einem großen zeitlichen Überblick bis ins 13. Jh. und klug systematisiert geht Véronique Gazeau (S. 38–56) auf die Äbte von Le Bec ein. Mit Anselm, dem späteren Erzbischof von Canterbury, fokussiert Sally N. Vaughn (S. 57–93) den zweiten und sicherlich berühmtesten Abt, der immerhin 30 Jahre seines Lebens in Le Bec tätig war (vor seinem Abbatiat bereits als Lehrer und Prior). Benjamin Pohl (S. 94–124) arbeitet vier Rollen des Geschichtsschreibers (und späteren Abts von Mont-Saint-Michel) Robert von Torigni heraus; u. a. kann er aufzeigen, wie Robert selbst an seinem Bild als dem eines bibliophilen Gelehrten arbeitete. P.s Ergebnisse bettet Elisabeth van Houts (S. 125–143) in einen breiteren Kontext ein, indem sie die Bedeutung Le Becs als „historiographical center“ herausarbeitet; anregend ist ihre weite Definition von „Historiographie“, bei der auch fiktive Briefe Berücksichtigung finden, konkret die epistola des Priesterkönigs Johannes (deren B-Redaktion v. H. zufolge in Le Bec entstanden sei). Jenny Weston (S. 144–170) spürt anhand der verstreuten und nur mehr rudimentären hsl. Überlieferung der Arbeitsweise des Skriptoriums nach; in einer Appendix beschreibt sie die 29 Hss., die sie aktuell dem Skriptorium zuordnen würde. Ergänzend hierzu rekonstruiert Laura Cleaver (S. 171–205) die klösterliche Bibliothek sowie die Netzwerke, dank derer die Gemeinschaft zahlreiche Hss. überhaupt erst erwerben konnte; ein Anhang enthält die Edition der erhaltenen Bücherlisten aus Le Bec. In theologiegeschichtlicher Perspektive setzt sich Giles E. M. Gasper (S. 206–227) mit der Mönchsgemeinschaft von Le Bec auseinander – und dabei geradezu zwangsläufig mit den beiden berühmtesten „Theologen“ (der Begriff ist, woran G. eingangs erinnert, damals freilich noch nicht etabliert), welche die Gemeinschaft hervorgebracht hat und die ihren Ruhm begründet haben: Lanfranc (v. a. seine Rolle in der Berengar-Kontroverse) und Anselm (neben seiner Marienverehrung v. a. die Anwendung der artes auf Fragen des christlichen Dogmas). Steven Vanderputten (S. 228–247) geht auf den Zusammenhang von „custom and identity“ ein, wobei er „custom“ nicht als consuetudines im engeren Sinn begreift, sondern in einer weiteren Definition als „strategic resource of established patterns of social and other conduct“ (S. 228): Hierunter fällt für ihn etwa die Durchsetzung der freien Abtswahl gegenüber dem Erzbischof von Rouen, bei der Anselm und seine Nachfolger erfolgreich einen Präzedenzfall zu einer consuetudo umdeuten konnten. Elizabeth Kuhl (S. 248–277) zeigt anhand der überlieferten Florilegien, dass die schon unter Lanfranc eingeführten Lehrmethoden (etwa bei der Bibelkommentierung) bis weit ins 12. Jh. beibehalten wurden. Leonie V. Hicks (S. 278–306) untersucht den Zusammenhang von Raum und monastischer Lebensweise – freilich mit dem Problem konfrontiert, dass von der ma. Klosteranlage lediglich ein spätma. Glockenturm und wenige Überreste der Kirche erhalten sind. Anhand schriftlicher Quellen fokussiert sie daher drei Schwerpunkte: Herluins Suche nach einem Ort der stabilitas, liminale Räume der Interaktion zwischen Mönchen und Laien sowie den Zusammenhang von Raum und Memorialsorge. Elma Brenner (S. 307–317) geht unter der Überschrift „Medical Knowledge and Practice at Le Bec“ auf Anselms hagiographische Inszenierung als Wunderheiler, die Bedeutung von Medizin im Rahmen der Benediktsregel sowie anhand der sex res non naturales nach Galen ein. Insgesamt betont sie das Verständnis von Sorge um die körperliche Gesundheit als Mittel zur spirituell-geistigen Entwicklung. Richard Allen (S. 318–342) untersucht geistliche Förderer des Klosters; die Bischöfe von Lisieux spielen hierbei eine zentrale Rolle, die Erzbischöfe von Rouen hingegen glänzen zumindest in der Anfangsphase durch Desinteresse; vor allem aber kann A. die Unterstützung durch zahlreiche Bischöfe und Domkapitel im anglo-normannischen Raum nachweisen. Abschließend stellt Julie Potter (S. 343–366), zentrale Ergebnisse ihrer Diss. über „The Friendship Network of Le Bec“ zusammenfassend, die als Gebetsverbrüderungen konstituierten Netzwerke dar, die sich in einer erfreulich breiten Überlieferung (u. a. Verbrüderungsliste, Nekrolog, Urkunden, Briefe, Historiographie) greifen lassen. Ein Index beschließt den sehr gut lektorierten und mit hochwertigen Abbildungen versehenen Band.
Markus Krumm
(Rezensiert von: Markus Krumm)