Susanne Rischpler, Die Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstifts Neunkirchen am Brand. Geschichte und Bestände (Bamberger Buch-Geschichten 1) Petersberg 2021, Michael Imhof Verlag, 153 S., Abb., ISBN 978-3-7319-0887-6, EUR 29,95. – Die auf dem Gebiet der ma. Buchmalerei durch zahlreiche Publikationen ausgewiesene Vf. legt mit dieser Monographie, die sich durchaus auch an ein breiteres Publikum wendet, die erste Untersuchung der Bibliothek des 1314 gegründeten und schon 1555 wieder aufgelösten, in der Nähe von Erlangen gelegenen Chorherrenstifts vor. Da sich kein einschlägiges Bücherverzeichnis erhalten hat, muss die Rekonstruktion von den heute noch vorhandenen Hss. und Drucken ausgehen, die erfreulicherweise aufgrund ziemlich konsequent von den Chorherren angebrachter Besitzvermerke recht eindeutig identifizierbar sind, während der Umfang des ma. Buchbestands im dunklen liegt und von der Vf. auf mehrere 100 Bände geschätzt wird. Die erhaltenen Bücher befinden sich zum überwiegenden Teil in der Staatsbibl. Bamberg und wurden teilweise schon durch frühere DFG-Hss.-Katalogisierungsprojekte erschlossen, aber bisher nie in ihrer Gesamtheit und in der Zusammenschau erfasst. Den Kern der Studie bilden die je eine Seite umfassenden und jeweils mit einer einseitigen, großformatigen Abbildung versehenen Beschreibungen der Bände in insgesamt 39 Nummern, die von der Vf. nach Inhalt, Entstehung/Provenienz, Ausstattung und Einband gegliedert werden, wobei das Hauptaugenmerk entsprechend ihrem Arbeitsgebiet auf den letzten beiden Punkten liegt. In der gut aufgebauten Einleitung wertet die Vf. methodisch schulmäßig die hier gewonnenen Informationen aus: Zunächst wird kurz die Geschichte Neunkirchens rekapituliert, vor allem auch vor dem Hintergrund der Raudnitzer Reform, die eine erhebliche Rolle für die Buchproduktion in Neunkirchen spielte, anschließend wird der Bestand in seiner Entstehung (Schenkungen, Hinterlassenschaften, Ankäufe etc.) und im Kontext der Beziehungen zu anderen Ordensniederlassungen sowie sein Schicksal nach der Auflösung des Klosters geschildert. Einen wichtigen Teil der Auswertung bildet die Identifizierung der in den Hss. erwähnten Schreiber, die detailliert in ihren Eigenheiten charakterisiert werden, sowie die Interpretation des Buchschmucks und der Einbände vor allem auch vor dem Hintergrund der Frage, seit wann in Neunkirchen ein eigenes Skriptorium bzw. eine Illuminatorenwerkstatt anzunehmen ist, was wohl ab ca. 1390 der Fall ist. Die Monographie zeigt zum einen, wie wichtig die von der DFG finanzierten Tiefenerschließungsprojekte sind, ohne die derartige Studien nicht möglich wären, da Kurzkataloge keine Basis für tiefer gehende Untersuchungen dieser Art bilden können; zum anderen stellt sie ein mustergültiges Beispiel dafür dar, wie eine methodisch fundierte und mit dem entsprechenden hilfswissenschaftlichen Instrumentarium durchgeführte Analyse eines Buchbestands zu soliden und ganz neuen Erkenntnissen für die Bibliotheks-, Buch-, Ordens- und allgemeine Geistesgeschichte gelangen kann.
M. W.
(Rezensiert von: Martin Wagendorfer)