A Military History of the Mediterranean Sea. Aspects of War, Diplomacy, and Military Elites, ed. by Georgios Theotokis / Aysel Yildiz (History of Warfare 118) Leiden / Boston 2018, Brill, XV u. 462 S., Abb., Karten, ISBN 978-90-04-31509-9, EUR 128,40. – Eine Geschichte des Mittelmeers, auch nur eine Militärgeschichte, zu schreiben, ist eine große Aufgabe. Ihrer nimmt sich der Sammelband dennoch an. In Anlehnung an P. Horden / N. Purcell, J. H. Pryor, D. Valérian, R. Murphey und vor allem F. Braudel setzen die Hg. sich die Ziele, einen Perspektivwechsel von der Untersuchung großer politischer Entitäten hin zu der des Mittelmeers selbst vorzunehmen, eine diachrone Militärgeschichte des Mittelmeers vom frühen MA bis zur frühen Neuzeit zu schreiben sowie zeiträumliche Variationen militärgeschichtlicher Aspekte und Kontexte aufzuzeigen. Die nach S. Morillo als politisch-institutionell, sozio-ökonomisch und kulturell definierten Kontexte sollen den Aspekten Krieg, Diplomatie und Militäreliten als Rahmen dienen, indem diese auf fünf militärhistorischen Themenfeldern untersucht werden. Auf dem ersten, „Naval Activity“, zeichnet Tilemachos C. Lounghis (S. 21–43) die Entwicklung der byzantinischen Flotte nach, die im 11. Jh. nach der letzten von drei Zäsuren in einer nicht mehr mediterranen, sondern ägäischen Ausrichtung mündete. Die Aufsätze des Themenfeldes „Weapons & Armour“ untersuchen den Realitätsbezug künstlerischer Repräsentationen von byzantinischen Waffen und Rüstungen. Einen solchen Bezug kann Raffaele D’Amato (S. 105–152) für ägyptische Fresken und byzantinische Ausrüstungen des 4.–7. Jh. aufzeigen. Dasselbe gelingt Georgios Theotokis (S. 153–172) mit dem Nachweis des Gebrauchs einer lassoähnlichen Waffe im Byzanz des 7.–10. Jh. Das dritte Feld „Strategy & Command“ deckt Strategien der Kreuzzüge auf Kommando- und Logistikebene vom 11. bis zum 14. Jh. ab. Alan V. Murrays (S. 185–201) Überblick über Ziele und Praxis der Kreuzzüge bildet mit Cornel Bonteas (S. 202–219) Darstellung diverser Kreuzzugstheoretiker den Hintergrund, vor dem Stephen Bennetts (S. 220–234) und Ian Wilsons (S. 235–252) Fallstudien zu den Führungsqualitäten Guys von Lusignan und levantinischen Belagerungen ihren Platz finden. Byzantinische Militärhandbücher des 11.–14. Jh. sind Thema des Feldes „Military Literature“. Einen Überblick über deren Publikum und sozial-geographische Verbreitung liefert Philip Rance (S. 255–286). Das ihm bei Theodor von Montferrat aufgefallene Pochen auf Improvisation wird von Nikolaos Kanellopoulos (S. 287–298) in einer Fallstudie vertiefend behandelt. Wie Militärliteratur zur Selbstdarstellung genutzt werden kann, erläutert Savvas Kyriakidis (S. 299–321) am Beispiel der Chronik des Johannes Kantakuzenos. Im fünften Themenfeld „Military Roles within Society“ gibt Stathis Birtachas (S. 325–346) Einblick in die im 15. Jh. beginnende Geschichte ostmediterraner Söldner in venezianischen Diensten. Alle Beiträge sind eng an den Quellen orientiert. Quellen werden oft wörtlich zitiert oder sogar als Dokumentanhang geliefert (etwa bei Rance, D’Amato, Kanellopoulos). Eine kritischere Verwendung von Begriffen wie Imperium (vgl. Theotokis / Yildiz, S. 16) wäre wünschenswert gewesen. Der Untersuchungsaspekt Diplomatie kommt mit Ausnahme des Beitrags von Wilson eher nebensächlich vor. Auch das Ziel, anstelle großer politischer Entitäten das Mittelmeer selbst zu fokussieren, wird nicht ganz erreicht, da einige Beiträge andere Schwerpunkte wählen und der Band insgesamt statt Braudels Mediterraneum vor allem dessen östlichen Teil untersucht. Wichtige militärische Akteure bleiben so fast unbeachtet, was sich auch in der theoretischen Auseinandersetzung mit mediterraner Militärgeschichte niederschlägt. Das Ziel einer diachronen Militärgeschichte wird erreicht, wenn auch chronologische Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Zielsicher setzen die Hg. das Konzept der Verdeutlichung zeiträumlicher Variationen der Aspekte Krieg, Diplomatie und Militäreliten um und liefern so insgesamt eine mediterrane, aber eben schlaglichtartige Militärgeschichte.
Laurin Herberich
(Rezensiert von: Laurin Herberich)