Die Hamburger Beginen bei St. Jacobi im Kontext ihrer Handschriften und Kultur, hg. von Barbara Müller / Monika E. Müller (Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne 21) Stuttgart 2022, Steiner, XVI u. 376 S., Abb., Tafeln, ISBN 978-3-515-13201-5, EUR 68. – In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat die Forschung zur Lebensform der Beginen in Spät-MA und früher Neuzeit enorme Fortschritte gemacht. Quellennahe Studien haben die Vorstellungen der älteren Forschung zu Recht hinterfragt und ein differenziertes Bild von den Beginen entworfen. Auch der vorliegende Tagungsband ist dem mittlerweile etablierten pluridisziplinären Zugriff auf das spätma. Beginenwesen verpflichtet, indem er nicht nur Beiträge aus der allgemeinen Geschichte, sondern auch aus der Kirchen-, Kunst-, Buch- und Bibliotheksgeschichte versammelt. Im Zentrum steht dabei der in bemerkenswerter Geschlossenheit überlieferte spätma. Hss.-Bestand des Beginenkonvents bei St. Jacobi in Hamburg; er war der Forschung keineswegs unbekannt, wird nun aber tiefergehend analysiert und vor allem durch gezielte Vergleiche kontextualisiert. Nicht zuletzt aufgrund der Quellenlage und der räumlichen Nähe spielt dafür das Zisterzienserinnenkloster Medingen eine wichtige Rolle. Einen ersten inhaltlichen Schwerpunkt bilden äußere Organisation, Alltagspraxis, Gebäudebestand und Einordnung in die religiöse Stadtstruktur Hamburgs. Analysen zur religiösen Praxis zwischen Liturgie und Privatgebet, ihrer hsl. Überlieferung sowie zum „religiösen Profil“ der Beginen bei St. Jacobi nehmen den größten Teil des Bandes ein. Beide Schwerpunkte werden durch den exquisiten Beitrag von Hedwig Röckelein (S. 283–313) hervorragend verbunden. Eine dritte Gruppe von Beiträgen schließlich bietet vor allem Vergleichspunkte, etwa in Medingen und Essen. Die einzelnen Beiträge argumentieren fast durchweg unmittelbar aus den Quellen, bis hin zu Synopsen und einer Edition (Philipp Stenzig, S. 65–217). Gerade dadurch bieten sie wichtige Einsichten, insbesondere für die Prägungen und Praktiken des religiösen Lebens zwischen der Pluralität der „offiziellen“ Liturgien und der durchaus nachweisbaren Individualität einzelner Beginen. Insbesondere die Gestalt der Begine Tibbeke wird von Monika E. Müller (S. 315–338) überzeugend profiliert; bemerkenswert sind aber auch die Erkenntnisse, die für Tibbeke oder auch für die Medinger Zisterzienserinnen (Gia Toussaint, S. 339–368) aus der Darstellung von Kleidung gewonnen werden können. Aber auch für die Wirtschaftsgeschichte der Beginenkonvente bietet der Band hilfreiches Material und Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen. Fraglos hätten etliche kleinere Redundanzen bei der Redaktion beseitigt werden können. Insgesamt aber überzeugt die (ungeachtet gewisser Schwankungen) durchweg hohe Qualität der Beiträge, die anhand des Hamburger Beispiels die Beginenforschung insgesamt bereichern und voranbringen. Eine Weiterführung der hier präsentierten Ansätze wäre insbesondere für eine Geschichte religiöser Praktiken wünschenswert.
Bernward Schmidt
(Rezensiert von: Bernward Schmidt)