Alessandro Recchia, Symoniaca heresis. Denaro e corruzione nella Chiesa da Gregorio Magno a Graziano (Studia 82) Città del Vaticano 2022, Urbaniana Univ. Press, 182 S., ISBN 978-88-401-9048-8, EUR 20. – R. widmet sich der kirchenrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Simonieproblem von der Antike bis zum 12. Jh. Sein besonderes Augenmerk richtet er auf das Decretum Gratiani, in das ein Großteil des relevanten Materials zur Simonie aufgenommen wurde. Im ersten Kapitel zeichnet R. die wichtigsten Reflexionen über Simonie bis zur Jahrtausendwende nach, beginnend mit den verschiedenen Traditionen zur biblischen Figur des Simon Magus, über die zentralen päpstlichen Dekretalen und Konzilskanones ab dem 4. Jh., die Werke Gregors des Großen mit dessen wegweisender Definition von Simonie als Häresie (Simoniaca haeresis) bis hin zu einem knappen Überblick über die weitere synodale und päpstliche Auseinandersetzung bis zum ausgehenden 10. Jh. Im zweiten Kapitel folgt R. dem Forschungsnarrativ, dass mit der Mitte des 11. Jh. ein grundlegender Wandel im Umgang mit Simonie eingesetzt habe, der vor dem Hintergrund einer rapiden gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung ein neues Bewusstsein für die notwendige und nachhaltige Bekämpfung dieses Missstands beförderte. Anhand der Positionen des Petrus Damiani, Humbert von Silva Candida und der damaligen Päpste, insbesondere Gregors VII., stellt R. zunächst die zentralen Themen und Argumentationslinien des 11. und 12. Jh. vor, die die Frage der Gültigkeit simonistischer Weihen, eine Gleichsetzung der Simonisten mit Judas Iskariot und die Verbindung von Simonie und Laieninvestitur betreffen. Anschließend werden die Kirchenrechtssammlungen der Reformzeit untersucht, wobei zielgerichtet nur jene Sammlungen zur Sprache kommen, die einen nachweislichen Einfluss auf das Decretum Gratiani hatten. In der Tendenz zeigt sich hier, dass die aktuellen Diskurse um die Gültigkeitsfrage schon ab dem ausgehenden 11. Jh. langsam in die Kirchenrechtssammlungen aufgenommen wurden, während die Frage der Investitur erst zu Beginn des 12. Jh. einen deutlichen Widerhall in den Sammlungen fand, als der Investiturstreit in seine entscheidende Phase eintrat. Mit dem dritten und vierten Kapitel wendet sich R. der ersten und zweiten Rezension des Decretum Gratiani und dessen vornehmlicher Verarbeitung des Simonieproblems in C. 1, q. 1 zu. Als unmittelbare Quelle nutzte der Autor der ersten Rezension das Werk De misericordia et iustitia des Alger von Lüttich, ergänzte dessen Bestimmungen zur Simonie aber auch um weitere Autoritäten, die er den Kirchenrechtssammlungen des 11. und 12. Jh., vor allem den Werken des Ivo von Chartres, entnehmen konnte. Anhand eines kurzen Exkurses verdeutlicht R., dass er in der Kontroverse um die Entstehung des Decretum Gratiani der These von Anders Winroth folgt und in der Hs. St. Gallen, Stiftsbibl., 673, eine spätere Kürzung der ersten Rezension sieht und nicht den ursprünglichen Entwurf des Dekrets. Die zweite Rezension des Decretum Gratiani ergänzte schließlich die Texte von C. 1, q. 1 um weitere Autoritäten, die nicht nur den Gedanken festigen sollten, dass Simonie als die schlimmste aller Häresien aufzufassen sei, sondern die auch präzisere Maßnahmen für den disziplinarischen Umgang mit Simonisten liefern sollten. Bemerkenswert ist, dass die für die Kirchenrechtssammlungen der Reformzeit zunehmend relevanten Autoritäten wie Petrus Damiani, aber auch aktuelle Themen wie die Verbindung von Simonie und Laieninvestitur in beiden Rezensionen kaum aufgegriffen werden. Der Autor der ersten Rezension tilgte etwa bewusst den Namen des Petrus Damiani aus der Vorlage des Alger von Lüttich. Damit wurde im Decretum Gratiani die Auseinandersetzung um das Simonieproblem gegenüber dem 11. und beginnenden 12. Jh. deutlich entpolemisiert. R.s Studie liefert wertvolle Einblicke in die Verarbeitung des Simonieproblems bei Gratian und geht gerade in der differenzierten Betrachtung der beiden Rezensionen und ihrer jeweiligen Entstehung über ältere Arbeiten hinaus. An manchen Stellen hätte man sich allerdings weiterführende Erklärungen gewünscht. So wird beispielsweise kaum diskutiert, nach welchen Gesichtspunkten eine Auswahl der Simonietexte aus den Vorlagen getroffen wurde, welche Bestimmungen aus den verfügbaren Kirchenrechtssammlungen ausgelassen wurden und welche Gründe sich für einen solchen selektiven Zugriff auf das Material anführen lassen. Waren es nur die Stellungnahmen zur Investitur, die auf diese Weise nicht in das Decretum Gratiani eingeflossen sind? Dadurch aber, dass sie solche und andere Fragen aufwirft, erweist sich die Arbeit als eine anregende Lektüre, die weiter über die ma. Auseinandersetzung mit dem Simonieproblem nachdenken lässt.
Lioba Geis
(Rezensiert von: Lioba Geis)