DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Ignacio García-Lascurain Bernstorff, Die Athleten und der Vikar Christi. Untersuchung zur Semantik der Beziehung zwischen dem Johanniterorden und dem Heiligen Stuhl (1393–1503) (Münchener theologische Studien I: Historische Abteilung 42) Sankt Ottilien 2021, EOS, XV u. 399 S., ISBN 978-3-8306-8039-0, EUR 39,95. – Die Zeit zwischen der Geschichte des Johanniterordens im Heiligen Land und den großen Belagerungen des späteren Ordenssitzes Rhodos (1480, 1522) rückt eher selten in den Blickwinkel der Forschung. Ereignisgeschichtlich orientiert sie sich dabei meist an der ordenseigenen Historiographie, die den Blick auf den Orden bis heute prägt. Teilaspekte dieser Zeit sind mitunter gut erforscht (so etwa die Herrschaftsstruktur des Ordens während seiner Zeit auf Rhodos). Auch diese Arbeit beschäftigt sich mit einem Thema jener „Zwischenzeit“, nämlich mit der Beziehung des Ordens zum Heiligen Stuhl. Der Ansatz ist ein diplomatie- und kommunikationshistorischer. Auch hierzu gibt es partielle Vorarbeiten, exemplarisch sei hier das Werk von Kenneth Setton erwähnt (The Papacy and the Levant, vgl. DA 34, 289f. und 37, 384f.), welches aber ein breiteres Spektrum abdeckt. Die Eingrenzung auf den Zeitraum von 1393–1503 begründet G.-L. B. mit Blick auf die Herrschaftszeiten des prägenden Großmeisters Pierre d’Aubusson und des Papstes Alexander VI. Ziel der Arbeit ist, die bilateralen Beziehungen zwischen Orden und Heiligem Stuhl zu analysieren und dabei vor allem die Semantik der Kommunikation zu betrachten. Der Orden habe in dieser Zeit viele grundlegende Probleme meistern müssen, etwa seine innere Verfassung, die Herausforderungen durch die muslimische Expansion und finanzielle Nöte, vor allem aber seine Stellung zum Papst, dem er einerseits untergeordnet war, andererseits als souveräner Orden entgegentrat. G.-L. B. untersucht „semantische und systemische Kontinuitäten und Brüche im Verhältnis“ zwischen Orden und Kurie (S. 13). Im Ergebnis habe sich der Orden seine Entscheidungsautonomie bewahrt, was vor allem in seiner sensiblen, aufmerksamen und fehlervermeidenden Kommunikation begründet liege. Als theoretische Grundlage dient dem Vf. eine Theorie zur Dynamik von Betriebsverwaltungen, aus welcher der in dieser Arbeit häufig bemühte Ausdruck der Resilienz stammt. Diese Begrifflichkeit hätte im methodischen Teil stärker herausgearbeitet werden können, gerade der Verweis auf die „gegenwärtige Resilienzforschung“ (S. 3) bleibt vage. Abgesehen davon liegt hier eine umfangreiche kommunikationsgeschichtliche Arbeit vor, die unter Verwendung grundlegender Quellen ein vertieftes Verständnis der Organisationen und ihrer Beziehungen zueinander zu geben vermag. Sozusagen als Nebenprodukt erhält man aber auch eine bemerkenswerte Ereignisgeschichte dieser bislang nur partiell erforschten Zeit der Ordensgeschichte. Am Schluss kommt G.-L. B. zu dem Ergebnis, dass nicht ein Einzelereignis (wie etwa der Verlust des Ordenssitzes Rhodos 1522), sondern das ganze 15. Jh. den Charakter einer Epochenschwelle für den Orden gehabt habe, nicht nur wegen der erwähnten tiefgreifenden Probleme, sondern ebenso aufgrund des Ringens mit der Kurie um Autonomie. Dieser Konflikt sei in jener Zeit grundlegend ausgehandelt worden. Die These mag stimmen, jedoch drohten dem Orden nach 1522 ganz andere Gefahren, nämlich die Säkularisation der Ordensbesitzungen durch die abendländischen Regenten. Auch hier musste der Orden um seine Souveränität kämpfen.

Mathis Mager

(Rezensiert von: Mathis Mager)