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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, hg. von Johannes Helmrath / Thomas Woelki, Bd. III, Lieferung 1 (1458 Oktober 1 – 1459 Dezember 31) Hamburg 2022, Meiner, VIII u. 231 S., ISBN 978-3-7873-4141-2, EUR 198. Bd. III, Lieferung 2 (1460 Januar 1 – Dezember 31) Hamburg 2023, Meiner, IX u. 372 S., ISBN 978-3-7873-4321-8, EUR 298. – Das an der HU Berlin angesiedelte, monumentale Editionsunternehmen zur Herausgabe der Quellen zur Lebensgeschichte des Kardinals und Philosophen (1404–1464) schreitet erfreulicherweise schnell voran: 2020 wurde der zweite Band der Acta Cusana abgeschlossen (vgl. DA 74, 746–748). Dieser ist mittlerweile auch als kostenlose Open Access/e-book-Ausgabe unter https://actacusana.de/einzelbaende.html verfügbar. Auch eine erste wissenschaftliche Auswertung dieses Bandes ist inzwischen erschienen (siehe unten S. 875f.). Mit der Publikation der ersten beiden Teilbände des dritten Bandes wird das Langzeitunternehmen in bewährt akribischer Weise fortgesetzt. Damit beginnen die ‘römischen Jahre’ des Kardinals, der im Herbst 1458 seinen Lebensmittelpunkt an die Kurie verlegt hatte und von dort die Amtsgeschäfte seiner Tiroler Diözese weiterführte. Zugleich vertrat Nikolaus von Kues als Legatus urbis den Papst im Kirchenstaat in weltlichen Angelegenheiten (Nr. 5825) und fungierte vielfach als Vermittler. Dies erklärt, wieso das Deutsche als Quellensprache nun hinter das Lateinische und Italienische zurücktritt. Neue, italienische Themen verdrängen zudem die dominierenden Tirolensia des zweiten Bandes, wenngleich nicht gelöste Tiroler Konflikte (wie die permanente Auseinandersetzung mit dem Benediktinerinnenkloster Sonnenburg) nach wie vor eine Rolle spielen. Ein europäischer Blickwinkel hingegen wird mit dem Fürstenkongress von Mantua (1459) eröffnet. Damit wollte der Papst ein katholisches Bündnis für eine neue Kreuzzugsunternehmung gegen die Türken initiieren. Die Hg. verweisen hier vollkommen zu Recht auf den breiten Niederschlag dieses Kongresses in den schriftlichen Quellen, zu dem eine monographische Gesamtdarstellung leider immer noch ein Desiderat darstellt. Dazu könnten die in den Acta Cusana edierten Quellen, die allerdings Ereignisse nur aufführen, wenn sie nachweislich und unter Nennung der Person mit Nikolaus von Kues verbunden sind, eine gute Basis bilden. Die persönliche Konfrontation mit dem Tiroler Landesfürsten, Herzog Sigismund dem Münzreichen (1427–1496), in Mantua führte im November 1459 zu einem offenen Eklat (Nr. 6052–6055: gegenseitige Bezichtigung der Lüge und Niedertracht). Der Konflikt eskalierte regelrecht, als der Kardinal Anfang Februar 1460 in sein Bistum zurückkehrte (Nr. 6108). In der Stadt Bruneck wurde Nikolaus von Kues am Ostersonntag überfallen, ausgeraubt, für einige Tage gefangen gesetzt sowie zu demütigenden Verträgen gezwungen, ehe er zurück zur Kurie fliehen konnte. Vom Verlauf der Ereignisse und deren Folgen berichtet in bemerkenswerter Detailfülle der zweite Teilband des dritten Bandes. Dazu werden neben einem zeitnahen Augenzeugenbericht auch chronikale Notizen aus der Sicht des Domkapitels und zahlreiche weitere, bislang unedierte Quellen (wie die in Bernkastel-Kues verwahrte Aktensammlung Cod. Cus. 221 sowie die Sammelhss. Codex Handlung und Acta Concordiae [Cod. 3] im Staatsarchiv Bozen) erschlossen. Der regionale Konflikt, auf den Papst Pius II. mit Bann über den Tiroler Landesfürsten und Interdikt über sein Territorium reagierte, schlug sich auch in umfangreichen juristischen Prozess- bzw. Streitschriften nieder. Als charakteristische Besonderheit dieser kanonistischen Dialektik sind in den hier edierten Fehdebriefen, Appellationen und Urteilen nun auch Namenslisten zu finden. Die detaillierte Quellenedition, zu der H. Hallauer und E. Meuthen jahrzehntelang umfangreiche Vorarbeiten durchführten, bringt zugleich interessante generelle Einblicke zum Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt, der Rechtmäßigkeit und Wirkung von Kirchenstrafen sowie der Rolle von Papst und Konzil in der Kirchenverfassung. Man darf gespannt sein, inwieweit diese Themen auch in den geplanten vier restlichen Lieferungen des dritten Bandes, die bis 2026 erscheinen und die vier letzten Lebensjahre des Nikolaus von Kues behandeln sollen, thematisiert werden.

Thomas Horst

(Rezensiert von: Thomas Horst)