Legacies of the Crusades. Proceedings of the Ninth Conference of the Society for the Study of the Crusades and the Latin East, Odense, 27 June – 1 July 2016, vol. 1, ed. by Torben Kjersgaard Nielsen / Kurt Villads Jensen (Outremer 11) Turnhout 2021, Brepols, 304 S., ISBN 978-2-503-58788-2, EUR 84. – The Crusades: History and Memory. Proceedings of the Ninth Conference of the Society for the Study of the Crusades and the Latin East, Odense, 27 June – 1 July 2016, vol. 2, ed. by Torben Kjersgaard Nielsen / Kurt Villads Jensen (Outremer 12) Turnhout 2021, Brepols, 222 S., 16 Abb., ISBN 978-2-503-58786-8, EUR 75. – Die 1980 gegründete Society for the Study of the Crusades and the Latin East, welche die Zeitschrift Crusades herausgibt und im Vierjahresrhythmus Konferenzen veranstaltet, bildet inzwischen den Angelpunkt der internationalen Kreuzzugsforschung. Das Ergebnis der neunten Tagung, die 2016 unter dem Titel „Diversity of Crusading“ in Odense stattfand, liegt nun in Form von zwei Sammelbänden vor. Die beiden Bände vereinen 23 der 112 Vorträge und beschäftigen sich mit Gesellschaften nach der Eroberung durch die Kreuzfahrer (Bd. 1) sowie der Erinnerung an die Kreuzzüge in der Geschichtsschreibung (Bd. 2). Wie für große Tagungen üblich, berühren indes nicht alle Beiträge diese Themen im gleichen Maß. Dennoch bilden sie viele der aktuellen Tendenzen in der Kreuzzugsforschung gut ab, die aufgrund der inhaltlichen Breite hier jedoch nicht alle zur Sprache kommen können. Ein Schwerpunkt ist die Sozialstruktur in den Herrschaftsgebieten der Kreuzfahrer. Nicholas Coureas (Bd. 1 S. 169–188) untersucht die Zusammensetzung der Bürgerschaft in zyprischen Städten unter den Lusignan, Nicholas McDermott (Bd. 1 S. 189–210) die Sklavenhaltung des Johanniterordens und Jochen Burgtorf (Bd. 1 S. 115–134) die Position von Flüchtlingen in den Kreuzfahrerreichen. Raitis Simsons (Bd. 1 S. 261–284) nimmt die soziale Stellung der Eroberten in den Gebieten des Deutschen Ordens in den Blick und betritt damit ein weiteres Feld, das die Forschung bereits seit geraumer Zeit beschäftigt. Der Kulturkontakt zwischen Kreuzfahrern und Einheimischen wird auch in anderen Beiträgen behandelt: Betty Binysh (Bd. 1 S. 73–93) betrachtet die Friedensverhandlungen zwischen Richard I. und Saladin aus arabischer Perspektive, Adam Simmons (Bd. 1 S. 137–156) verfolgt die Integration der Nubier in den katholischen orbis Christianorum, Tomislav Karlović (Bd. 1 S. 95–114) beleuchtet den Einsatz des römischen Rechts in interkulturellen Konflikten unter der Bevölkerung der Kreuzfahrerreiche, Anti Selart (Bd. 1 S. 239–260) untersucht die Eheschließungen zwischen Einheimischen und Eroberern in den Deutschordensterritorien, und Mihkel Mäesalu (Bd. 1 S. 213–237) befasst sich mit Urkunden, in denen der Übertritt der Bevölkerung Livlands zum Christentum geregelt ist. Inzwischen hat die Forschung sich auch verstärkt dem Platz der Kreuzzüge in der modernen Geschichtskultur zugewandt. Mike Horswell (Bd. 2 S. 125–156) analysiert die Darstellung der Kreuzzüge in der Encyclopedia Britannica, Elizabeth Siberry (Bd. 2 S. 181–197) betrachtet die Verwendung von Kreuzzugssymbolik in Weltkriegsdenkmälern, und Jonathan Phillips (Bd. 2 S. 29–53) argumentiert gegen die verbreitete These, die Erinnerung an Saladin und die Kreuzzüge sei im Nahen Osten erst wieder im 19. Jh. erwacht. Einen Überblick über die modernen Sichtweisen auf die Kreuzzüge bietet Adam Knobler (Bd. 2 S. 169–179). Überdies wird mit dem Band die Debatte um den Kreuzzugsbegriff neu belebt, welche die Forschung bereits seit den 1970er Jahren begleitet. Die Hg. machen sich in der Einleitung (Bd. 1 S. 13–18) für den Ansatz der sogenannten Pluralisten stark, die den Kreuzzug als päpstlich sanktionierten Krieg gegen die Feinde der Christenheit verstehen. Alan V. Murray (Bd. 1 S. 21–44) greift diese Sichtweise auf und betrachtet unter anderem die Atlantikexpansion und die Conquista vor dem Hintergrund der Kreuzzüge. Dass diese Herangehensweise möglicherweise zu kurz greift, zeigen zwei andere Beiträge: Gregory Leighton (Bd. 1 S. 285–304) schildert, wie der Deutsche Orden sein Territorium als Neues Jerusalem und Heiliges Land der Jungfrau Maria darstellte, und verdeutlicht damit die Vorbildfunktion der Orientkreuzzüge gegenüber allen gleichartigen Unternehmungen. Christoph T. Maier (Bd. 2 S. 13–28) bezeichnet das Konzept des Kreuzzugs als Anachronismus, der aus der Feder französischer Historiker des 17. Jh. stamme. Benjamin Weber (Bd. 2 S. 199–220) betont dagegen, dass der Ausdruck cruciata bereits im 13. Jh. aufkam und von einem umfassenden Kreuzzugskonzept zeugt, das unabhängig von Jerusalem war. Die Debatte dürfte damit freilich nicht beendet, aber um einige wertvolle Impulse reicher sein.
Gion Wallmeyer
(Rezensiert von: Gion Wallmeyer)