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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Bernhard Jussen / Karl Ubl (Hg.), Die Sprache des Rechts. Historische Semantik und karolingische Kapitularien (Historische Semantik 33) Göttingen 2022, Vandenhoeck & Ruprecht, 377 S., ISBN 978-3-525-31141-7, EUR 85. – Die Neuedition der karolingischen Kapitularien unter der Leitung von Stefan Esders, Steffen Patzold, Karl Ubl und Michael Glatthaar hat inzwischen einen reichen Ertrag an begleitenden Studien hervorgebracht; ein erstrangiges Beispiel ist dieser Band. Die zehn Beiträge gehen zurück auf eine Tagung im Februar 2017 am Deutschen Historischen Institut in Paris und richten den Blick auf die semantischen Felder der Kapitularientexte. Sie decken ein breites Themenspektrum ab, unter anderem die Darstellung und Deutung der Vergangenheit durch die Autoren der Kapitularien, die Mittel, mit denen Kapitularien auf die Gesetzestexte der fränkischen Herrscher verweisen, Vergleiche zwischen dem Vokabular der Kapitularien und dem der Königsurkunden, Übereinstimmungen im Sprachgebrauch mit der Predigtliteratur, Querverweise auf andere Kapitularien, den Gebrauch bestimmter Termini, z.B. iubere statt imperare für königliche Befehle, die Beschreibungen von Angehörigen anderer Völker, besondere Titel für die Herrscher. Interessanterweise stehen die Schlussfolgerungen einiger Beiträge im Widerspruch zueinander. Magali Coumert (S. 61–94) etwa, die Zusätze zur Lex Salica und Ribuaria behandelt, kommt zu einer sehr pessimistischen Einschätzung der Frage, wie weit es den Karolingern bis hin zu Ludwig dem Frommen (814–840) möglich war, diese Rechtsbücher zu reformieren oder verbessern und einen kanonischen Text zu etablieren. Jean Meyers (S. 261–286) dagegen, der den Gebrauch von iubere untersucht, weist darauf hin, dass die Autoren unter Karl dem Großen (768–814) dieses Wort durchgehend in exakt derselben Weise einsetzten wie der Codex Theodosianus. M. sieht das als ein Indiz dafür, dass das römische Recht die Sprache der Autoren intensiv beeinflusste, was Rückschlüsse erlaubt sowohl auf deren Bildung als auch auf die Kontrolle der Regierung über die Sprache der Kapitularien. In fast allen Beiträgen wird sichtbar, welch nützliches Werkzeug die Kapitularien darstellten für die Ausübung herrscherlicher Autorität über das ganze karolingische Reich. Jeder einzelne von ihnen ist von großem Wert, und der Band als ganzer ein willkommener Baustein für das Verständnis der Kapitularien.

David S. Bachrach (Übers. V.L.)

(Rezensiert von: David S. Bachrach)