Gerhard Fouquet, Die geliehene Zeit eines Königs. Der „arme“ Ruprecht und die Reichsfinanzen (1400–1410) (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 110) Göttingen 2022, Vandenhoeck & Ruprecht, 329 S., ISBN 978-3-525-36860-2, EUR 60. – Schon von Zeitgenossen sind die Finanzen Ruprechts von der Pfalz nach seinem missglückten Italienzug als deplorabel eingeschätzt worden. Auch die wissenschaftliche Fachliteratur hat dieses Urteil lange vertreten, in Ruprecht einen „Staatsbankrotteur“, einen gescheiterten König gesehen, was erst seit den 1980er Jahren Korrekturen fand. Unter den seit Ludwig dem Bayern gewachsenen Voraussetzungen der Finanzierung der Reichsregierung war vor allem die Auflösung der Reste des Kronguts in der Hand des Königs durch kaum oder nicht mehr ablösbare Verpfändungen an Adel und Städte bedeutend. Auf solche Verpfändungen von Einkünften verzichtete Ruprecht weitgehend. Die bis 1409 andauernde finanzielle „Stressphase“ erforderte besondere Fähigkeiten, die Refinanzierung von Krediten sicherzustellen. Die auf einer breiten Quellenbasis beruhende These von F. ist es, dass Ruprecht „diesen andauernden Stresszustand beweglicher als manch anderer römischer König vor und nach ihm im Spätmittelalter gestaltet“ habe (S. 13). Er fragt, ob es dafür eine Finanzadministration am Hof gab und wie sich diese gestaltete. In der trotz der ungemein umfangreichen Fülle der berichteten Detailmaßnahmen übersichtlichen und gut lesbaren Darstellung werden die Kreditgeschäfte des Königs, soweit sie überliefert sind, umfassend vorgestellt. Die „geliehene Zeit“ im Titel ist zurückzuführen auf die im Buch genannte Palea Eiciens des Decretum Gratiani, die Kreditoren von (Wucher-)Darlehen den Verkauf der von Gott geschenkten Zeit unterstellt. Kredite wurden durch Pfandschaften, Wiederkauf und Anweisung auf Einkünfte, insbesondere auf Steuern und Zölle, fundiert. Zu jeder einzelnen Reichsstadt Schwabens, Frankens, der Wetterau, der Bodenseestädte, einigen Städten unter dem „Schirm“ der Pfalzgrafschaft, schließlich auch west-, mittel- und norddeutschen Städten werden die politische Stellung zum Königtum, Demarchen zur Festigung oder Veränderung dieses Verhältnisses, die Reaktionen auf die weitgehend am Widerstand zahlreicher Städte gescheiterten Sondersteuern (Mutungen) 1402/03 und 1404/05, dann die Abgaben und Leistungen für das Königtum, insbesondere die Jahrsteuern, und vor allem die Anweisungen darauf an die Gläubiger des Königs für die Laufzeiten der Kredite aufgezeigt. Gemäß den Detailbeobachtungen gelang es der königlichen Verwaltung unter finanzpolitischer Führung des Kanzlers Raban von Helmstatt, den Großteil der reichsstädtischen Ratskollegien an sich zu binden und die Jahrsteuern zur Bedienung der Kredite effektiv zu nutzen. Insgesamt flossen dem König jährlich mindestens 12.350 bis über 13.560 rheinische Gulden an reichsstädtischen Steuern zu. Aufgrund der Kammerknechtschaft forderte der König von jenen süddeutschen und rheinischen Reichs- und Freistädten, die als Schutzherren der Juden auftraten, Anteile an den jährlichen Judensteuern. Seit Ludwig dem Bayern 1342 beanspruchte der König auch den „Goldenen Opferpfennig“, eine Kopfsteuer von einem Gulden jährlich. Infolge der Zersplitterung des Judenregals waren Rechte aus dem Judenschutz indessen an verschiedene Schutzherren gekommen. Nach durchaus judenfeindlichen Maßnahmen als Pfalzgraf agierte Ruprecht als König rein fiskalisch: Die Juden waren bloße Steuerobjekte. Die Judenschuldentilgungen zur Zeit Wenzels hatten indessen nicht nur deren Finanzkraft geschwächt, sondern auch zur Abwanderung nach Oberitalien geführt. In vielen Reichsstädten gab es keine Juden mehr. Die Eintreibung, auch mit Hilfe jüdischer Kollektoren, wurde zudem durch hier im Einzelnen aufgearbeitete Widerstände und Verhandlungserfolge der Städte behindert. 1401 brachten die Steuern der reichsstädtischen Juden nur etwa 290 Gulden ein; in den folgenden Jahren lag der Betrag vielleicht etwas höher. Durch jüdische „Geschenke“ bei Besuchen des Königs in Reichsstädten und durch Zahlungen für Einzelprivilegien und Strafgelder wurden viel bedeutendere außerordentliche Beträge eingebracht. Für den 1401 geplanten Romzug zur Kaiserkrönung wurde gemäß päpstlicher Anordnung mit einiger Mühe ein Zehnt vom Klerus eingetrieben, der rund 10.500 Gulden erbrachte. Das von F. ausgewertete Diarium Ruperti regis, „eine für die Frühzeit des 15. Jahrhunderts einzigartige Quelle“ (S. 131), ist als Tagebuch des Verwaltungshandelns von großem Wert, gerade auch für die Schwierigkeiten der Finanzierung des Italienzugs, für den gemäß Kostenvoranschlag mit 77.000 rheinischen Gulden pro Monat gerechnet wurde. Es enthält auch das Registrum camere regis mit dem Verzeichnis der Einnahmen 1401–1407, das in seiner Bedeutung für die Finanzverwaltung vorsichtig statistisch ausgewertet und inhaltlich erschlossen wird. Erreichbar ist indessen nicht die gesamte Haushaltung, sondern nur eine Teildokumentation der Finanzströme in der täglichen Haushaltspraxis. Die Finanznot Ruprechts ist ein Faktum: „Schulden aus der Italienunternehmung begleiteten König Ruprecht bis zu seinem Tod“ (S. 144). Im letzten und wohl wichtigsten Kapitel wird die Bedeutung des Kredits und seiner unterschiedlichen Vertragsformen herausgearbeitet. Kredite boten die positiven Seiten von Verflechtungsmöglichkeiten, des Aufbaus persönlicher Abhängigkeiten, von politischen Vorteilen und materiellem Gewinn. Die Konjunkturen des Kreditbedarfs und der Verwendung der Mittel, die Einwerbung von Darlehen, insbesondere die Kreise der Gläubiger und die Formen der Absicherung und der Ablösung von Krediten werden materialreich dargestellt und eindringlich interpretiert. Als Fazit werden die grundsätzlichen Probleme des Königtums in der Zeit des Übergangs vom Feudal- zum Steuerstaat genannt: das Erodieren der Einkünfte aus den Domänen, der undurchdringliche Privilegien-Panzer von Adel und Städten, das Fehlen jeglicher Legitimation zur Erhebung allgemeiner Steuern. Unter diesen Bedingungen musste die königliche Finanzverwaltung agieren, und das ist recht gut gelungen. Kredit und Verschuldung der Fürsten, ihre negativen und positiven Folgen im Spät-MA, das ist eine Thematik, die in der neueren Forschung viel Beachtung findet. F.s Mikrogeschichte königlicher Finanzen ist ein gewichtiger Beitrag dazu.
Hans-Jörg Gilomen
(Rezensiert von: Hans-Jörg Gilomen)