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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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La Mappa mundi d’Albi. Culture géographique et représentation du monde au haut Moyen Âge, études réunies par Emmanuelle Vagnon / Sandrine Victor (Histoire ancienne et médiévale 180) Paris 2022, Éditions de la Sorbonne, 282 S., Abb., ISBN 979-10-351-0786-4, EUR 30. – Die Mappa mundi von Albi (8. Jh.) ist eine der ältesten erhaltenen ma. Weltkarten. Wie viele andere Karten ihres Typs, die sich in Enzyklopädien, Geschichtswerken, Bibelkommentaren befinden, ist sie im Manuskriptzusammenhang überliefert (und also relativ klein: 27 x 22,5 cm), dessen genaue Betrachtung essentieller Bestandteil ihrer Interpretation sein muss. Die Hg. haben zu Überlieferung, Lesung und Bedeutung insgesamt elf Beiträge (dazu préface und introduction) eines Workshops zusammengetragen, der die Karte in ihren räumlichen (Jean-Louis Biget, S. 59–76, zu Albi zwischen Merowingern und Karolingern) und zeitlichen Zusammenhang stellte sowie die Geschichte der stets in Albi aufbewahrten Hs. (Médiathèque Pierre-Amalric, 29) nachzeichnete (Jocelyne Deschaux, S. 77–98) und ihrer Materialität mit neuesten technischen Methoden auf die Spur zu kommen suchte (Laurianne Robinet / Sylvie Heu-Thao / Aurélie Tournié, S. 99–109). Die genaue Betrachtung der umfangreichen Sammelhs. aus dem 8./ 9. Jh. mit 28 Teilen steht unter der Frage, ob es sich um eine Enzyklopädie handelt, die sich kulturell-chronologisch einordnen lässt zwischen die Verbreitung der Etymologien Isidors von Sevilla und die karolingische Renaissance (Nadège Corbière, S. 111–124). Anschließend fällt der Blick auf die Karte selbst und ihre geographiehistorischen Zusammenhänge: Magali Coumert (S. 127–144) betont die auf ihr vereinten Wissensbestände aus Antike und Bibel, die zueinander und zur Gegenwart – als die nun herrschenden „Barbaren“ eigentlich längst ihre Ursprungserzählungen in die Tradition eingeschrieben hatten – in Spannung stehen. Claire Tignolet (S. 145–158) setzt die Karte in Beziehung zu den „geographischen“ Texten in der Hs., was von Jacques  Elfassi (S. 159–172) auf „Isidore de Séville et la géographie“ zugespitzt wird. Im dritten Teil wird die Mappa mundi von Albi mit anderen ihrer Art verglichen. Typologisch andersartig, aber inhaltlich vergleichbar, stammt Vat. lat. 6018 (eine Isidor-Hs.) aus derselben Zeit und zeigt noch deutlicher neben der Bewahrung antiken Wissens das Eindringen ma. Elemente (Jean-Baptiste Amat, S. 175–194). Anhand der dreihundert Jahre jüngeren sogenannten Cotton Map (London, British Lib., Cotton Tiberius B. V. [1]) diskutiert Alfred Hiatt (S. 195–210), wie nicht allein Texte, sondern auch Formen aus antiken (verlorenen) Vorlagen entwickelt worden sein mögen. Zwei ganz unterschiedliche schematische Rundkarten „bringen ans Licht“ (illustrieren) die Vorstellung von Erd-Raum in zwei in Sankt Gallen aufbewahrten Hss. (236 und 237) der Etymologien aus dem 9. Jh. (Julie Richard Dalsace, S. 211–230). Und endlich sucht Jean-Charles Ducène (S. 231–241) nach möglichen Verflechtungen der Mappa mundi von Albi mit arabischer Geo- und Kartographie. Die ins Detail gehenden, aber dabei ineinander greifenden Beiträge machen den gut erschlossenen und mit Abbildungen (nicht zuletzt dem Angebot dreier unterschiedlicher Umzeichnungen der Karte) gut ausgestatteten Band zu einer vorbildlich durchgeführten Untersuchung eines wichtigen Glieds in der Kette der graphischen Raumdarstellungen, die aus der Antike kaum erhalten sind und im Laufe des Hoch-MA zur Blüte gelangten.

Felicitas Schmieder

(Rezensiert von: Felicitas Schmieder)